Das Glück liegt in der Zukunft?
Ich gebe zu, dass ich manchmal dazu neige, mich dumm zu verhalten – ganz Kind der Nachkriegszeit. Ich kaufe mir zum Beispiel eine Stiege Äpfel. Nicht ganz billig, aber wie gemalt! Allein vom Anblick läuft mir das Wasser im Mund zusammen! Und ich habe sie beim Bauern versucht, sie schmecken auch so toll, wie sie aussehen.
Zuhause bewahre ich sie dann sorgfältig auf, denn sie waren zu teuer, um sie einfach so wegzuessen. Nach ein paar Tagen stelle ich fest, dass einer der Äpfel „angegangen“ ist. Er hat eine Macke und fängt von dieser Stelle an zu faulen. Der muss weg! Ich esse also den angegangenen Apfel, aber die anderen hebe ich auf. Und dann, nach ein paar Tagen, finde ich den nächsten angegangenen. Und so geht das immer weiter. Zum Schluss habe ich eine ganze Stiege angegangener Äpfel gegessen – kein einziger war so toll und einwandfrei, wie er war, als ich ihn gekauft hatte. Und dann ärgere ich mich: eine Stiege angegangener Äpfel hätte ich auch für die Hälfte vom Preis bekommen.
Viele leben nur für die Zukunft
Und so geht es vielen von uns: wir leben nur für die Zukunft. Als Kinder essen wir Spinat, damit wir einmal groß und stark werden. Wir gehen in die Schule, um später einmal schlau zu sein. Wir machen eine Ausbildung, um später einen guten Job zu bekommen und gut leben zu können. Wir gehen in die Mucki-Bude und hungern, um einen tollen Partner zu bekommen. Wir sparen auf das tolle Auto. Wir machen Überstunden, um später vielleicht ein besseres Gehalt zu bekommen. Wir arbeiten, um später einmal Rente zu bekommen… Bestimmt kannst Du diese Liste noch mit eigenen Punkten erweitern.
Und während wir Pläne machen, geht das Leben vorbei. Wir aber glauben: Glück ist, den Schulabschluss erreicht, die Ausbildung abgeschlossen, die nächste Karrierestufe erreicht zu haben. Und ohne Zweifel, es ist ein Glücksgefühl, das Abschlusszeugnis überreicht zu bekommen. Doch wie lange hält das an? Zwei Tage, eine Woche? Dann drängelt sich das nächste Ziel nach vorn und fordert Anstrengung von uns – und das Glück wird vertagt. Denn nicht das, was wir besitzen, scheint uns wertvoll, sondern das, was wir anstreben.
Wir sammeln also Glücksfaktoren an, um glücklich sein zu können. Diese Faktoren haben erfahrungsgemäß nur einen kurzen Einfluss auf unser Glücksempfinden. Ändern sich die Faktoren, ändert sich zwar auch unser Glücksempfinden, aber nur als Folge der Änderungen, nicht als Folge der tatsächlichen Menge der Faktoren. Ein Mensch, der alles hat, was er sich wünscht, ist deshalb auf Dauer nicht glücklicher als einer, der sein gutes Auskommen hat ohne übermäßig reich zu sein.
Ich will damit nicht sagen, dass wir keine Pläne machen dürfen. Wenn wir überhaupt nicht für die Zukunft vorausplanen, wird sie fürchterlich. Aber wir dürfen, wenn wir unsere Ziele verfolgen, nicht die Gegenwart vergessen. Jemand, der nur in die Ferne schaut, sieht die nahen Klippen nicht, auf die er zusteuert.
Das Jenseits ist gefährlich!
Ganz besonders für Leute, die das Diesseits als ein „irdisches Jammertal“ ansehen, in dem Freude nur als Sünde möglich ist. Nicht im Hier und Jetzt zu leben, macht depressiv. Menschen mit einer depressiven Störung müssen mühsam lernen, die Gegenwart zu betrachten und weder die Vergangenheit zu betrauern noch sämtliche Hoffnungen auf die Zukunft zu setzen.
Wer seine Hoffnung nur auf das Jenseits setzt, erträgt alle Schicksalsschläge, alle Demütigungen und Zurücksetzungen im Diesseits anscheinend klaglos. Er ist im Diesseits schon gestorben. Andere, die weniger ans Jenseits und mehr ans Diesseits glauben, ergreifen ihre Chancen und leben. Und in keiner Bibel steht, dass wir nicht freudig leben dürfen
Also nur hedonistisch handeln?
Ein klares Nein. Wer hedonistisch, das heißt nur nach dem eigenen Vergnügen, nach der sofortigen Befriedigung der eigenen Wünsche strebt, wird auch nicht glücklich. Spaß haben, hat nichts mit glücklich sein zu tun, manche bespaßen sich zu Tode. Und auch Glück haben macht nur kurzzeitig glücklich.
Altruistisch etwas für Andere zu tun, ist durchaus erfüllend. Es führt zu einer engen Bindung zu unseren Mitmenschen, und da wir soziale Wesen sind, benötigen wir das für unser Glück. Nur für andere da zu sein, macht aber auch nicht glücklich. Glück erfordert Mut. Mut lässt uns die Chance ergreifen, bevor sie verstreicht. Mehr zu wagen heißt keineswegs, sich mehr Ziele zu setzen, denen wir hinterher hetzen können. Es heißt, den Apfel zu essen, bevor er verfault.
Die Gegenwart ist ein Geschenk, die Zukunft nur eine Option
Das ständige Streben nach Glück macht unglücklich. Vor allem, wenn wir den Glücksratgebern folgen, die uns einreden, wir bräuchten nur dies und jenes zu tun, um für den Rest unseres Lebens glücklich zu sein. Wenn wir ihnen folgen, sind wir selbst schuld, sollten wir nicht so glücklich sein wie wir es uns erhoffen. Die Ratgeber vergessen, dass jeder eine andere Auffassung von Glück hat und dass jeder so anders ist, dass ein Kochbuch nichts nützt. Und sie vergessen, dass auch Traurigkeit zu einem erfüllten Leben gehört, ja sogar schlimme Traumata lassen uns wachsen.
Einem Mensch, der immer nur glücklich ist, wird es an Größe und Weisheit fehlen. Nutze also die Gegenwart, um in der Zukunft erfüllende Erinnerungen zu haben und am Ende sagen zu können: „Mein Leben hat sich gelohnt!“ Denn die meisten Menschen bereuen am Ende des Lebens nicht, was sie getan, sondern was sie nicht getan haben.
Vergangenheit ist Geschichte,
Zukunft ein Geheimnis und
Jeder Augenblick ein Geschenk. (Ina Detes)
Roland Scherer hat mich nach meiner Krebserkrankung und anschließenden halbjähriger Chemotherapie im Jahre 2012 als Freund und Berater begleitet. Er hat mich immer wieder auf Wege geführt, die mir die nötige Ruhe für weitere Behandlungen gaben. Ich hatte zeitweise das Gefühl, die ganze Welt würde Energie aus mir heraussaugen und jeder in meiner Umgebung zerre und ziehe an mir. Roland hat mir gezeigt mit solchen Situationen umzugehen. Er war und ist ein unheimlich guter Zuhörer, der durch gezielte Fragen die inneren Empfindungen, ja Ängste, offen legt und erkennbar macht. Roland hat mich gelehrt, und ich sage hier bewusst gelehrt, weil ich aufgrund meiner Ausbildung so weit wie nur irgend möglich von dieser Erkenntnis entfernt war, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die nicht mathematisch oder physikalisch erklärbar sind, die aber trotzdem existieren. Ich habe Kräfte in mir und um mich herum gespürt und ich habe Mut und Energie erhalten, mein Leben neu zu strukturieren und mich neu zu orientieren.
Heute kann ich von mir sagen, dass ich glücklich bin. Glücklich, weil ich gesund bin. Glücklich, weil ich einen passenden, geliebten Partner gefunden habe. Glücklich, weil ich mich jeden Tag an kleinen Dingen erfreue und glücklich, weil ich genügend Ruhe für meine Kinder und Enkelkinder aufbringe und die Zeit mit ihnen allen unendlich genieße.
Ich lebe im Hier und Jetzt und habe das Glück in meinem eigenen Ich gesucht und gefunden. Auf diesem Weg hat mich Roland Scherer begleitet und dafür danke ich ihm von Herzen.