In der schamanischen Vorstellung wird bei einem Schock ein Teil der Seele abgetrennt und diese lebt dann in der Anderswelt. Die Abtrennung der Seele macht dem Menschen das Überleben trotz Schock möglich, da das schlimme Erlebnis sozusagen eingekapselt wird.
Allerdings ist die Seele des Menschen danach nicht mehr vollständig, ein Teil fehlt ja. Das kann verschiedene Auswirkungen haben. Da die Natur kein Vakuum zulässt, wird sie auch versuchen, das „Loch“, das der fehlende Seelenanteil hinterlassen hat, auszufüllen. Das passiert aber dann mit etwas, das nicht zu diesem Menschen gehören. Aus diesen Gründen sollte man versuchen, den Seelenanteil zurückzuholen und die fremden Anteile zu entfernen, um so die eigene Seele wieder vollständig zu machen.
Nun ist es nicht einfach zu merken, ob ein Seelenanteil fehlt. Meist hat der Mensch die entsprechenden Erinnerungen verdrängt, und wenn der Schock schon vor langer Zeit stattfand, erinnert er sich nicht mehr, wie ein Leben mit dem Seelenanteil war, er vermisst also nichts. Deshalb ist es für den Schamanen vordringlich, den verlorenen -oder besser geflohenen- Seelenanteil bei einer Reise zu finden. Hilfreich ist dabei, dass der Seelenanteil in der Regel so „aussieht“ wie der Klient im Alter des Verlusts.
Das klassische Vorgehen ist dann, dass der Schamane den Seelenanteil überredet, mitzukommen und ihn dann dem Klienten „einbläst“, um die Seele wieder ganz zu machen. Geht also ganz einfach, schnell und „sauber“.
Nach meinen Erfahrungen ist das aber leider nicht so einfach und vor allem nicht so schnell. Mir wurde gezeigt, dass es für moderne Menschen, die mit der Idee der Seele, des Seelenverlusts und der schamanischen Reise zum Zweck der Seelenrückholung nicht von Kindesbeinen an vertraut sind, eine erhebliche Vorbereitung braucht.
Der Klient muss reisen lernen, der Schamanisch Arbeitende muss ihn zu seinem Seelenanteil begleiten. Der Klient lernt den Seelenanteil wieder kennen und macht ihm klar, dass der Grund, weshalb er geflohen ist, nicht mehr existiert. Ohne dass der Klient ganz ehrlich ist, geht das nicht. Nur so kann er ihn davon überzeugen, zu ihm zurückzukommen. Hat ein fremdes Wesen den Platz des Seelenanteil eingenommen, muss der Schamane dieses vorher entfernen.
Das Ganze ist recht langwierig, bei mir hat es bei drei verlorenen Seelenanteilen fast zwei Jahre gedauert – in anderen Fällen nur einige Wochen oder Monate. Aber erste Erfolge stellen sich oft schon nach der ersten Begegnung mit dem Seelenanteil. Und außerdem, eine klassische Therapie, die das selbe bewirken soll, dauert mindestens genau so lange.
Krankheiten und echten Störungen müssen vom Therapeuten oder Arzt behandelt werden, auch wenn sie durch einen Seelenverlust verursacht wurden. Hier darf der Schamane die Behandlung nur begleiten, wenn der Therapeut zustimmt.