Kinder und ihre Bedürfnisse III
Bisher hatten wir schon vier wichtige Bedürfnisse aufgelistet, die von den Eltern erfüllt werden sollten. In diesem Beitrag kommen die drei letzten.
Damit Sie nicht zurückblättern müssen, hier noch einmal die Bedeutung der Punkte A – D in Kurzform:
- Punkt A was die Eltern den Kindern, wenn auch nicht unbedingt mit Worten, sagen, wenn sie dieses Grundbedürfnis erfüllen.
Wenn das Bedürfnis ungenügend befriedigt wurde:
- Punkt B beinhaltet die Skripte, die durch den Mangel im Kind verankert werden und was das Kind dadurch durch sie wahrnimmt.
- Punkt C beschreibt die Auswirkungen des Mangels im Erwachsenenalter.
- Punkt D beschreibt Beispiele von Lösungssätzen.
Die Liste der wichtigsten Grundbedürfnisse (6-8)
· Halt und Unterstützung
- Wir tragen, halten und fördern Dich, wann immer es notwendig und angebracht ist. Wir stützen Dich, damit Du Deinen Weg selbst gehen kannst.
- „Sei nicht wichtig!“, „Gehöre nicht dazu!“, „Sei perfekt!“
Ich fühle mich instabil und schwach. Ich habe Sehnsucht nach Stabilität und Festigkeit. Ich leide an der Kälte der Welt. - Betroffene sind unsicher im Umgang mit Anderen, haben keinen festen Boden unter den Füßen. Sie sind maßlos und unsicher. Sie können schlecht Dinge ausdrücken, die sie selbst betreffen und haben Sehnsucht nach Menschen mit starker Präsenz und Festigkeit. Stimmungsschwankungen sind häufig.
- „Du warst nicht da, als ich Dich gebraucht habe.“, „Meine Ahnen, gebt mir Euren Halt und Eure Unterstützung.“
· Erlaubnis
- Du darfst Dich Deinem Alter und deiner Fähigkeiten entsprechend verhalten. Du darfst Junge oder Mädchen sein. Du darfst Deine Interessen und Begabungen leben.
- „Sei nicht Du selbst!“, „Mach es anderen recht!“, „Werde nicht erwachsen!“
Ich muss mich nach den Wünschen der Eltern richten. Meine eigenen Interessen zählen nicht. Andere bestimmen über mich. Ich lebe das Leben Anderer. - Angemessene Reifungsschritte sind nicht möglich. Entwicklungsmöglichkeiten werden verpasst. Der Betroffene lebt nicht, er wird gelebt und hat Angst, eigene Entschlüsse zu fassen und durchzusetzen.
- „Du wolltest mir gut, doch es tat mir nicht gut.“, „Es tut mir leid, dass Du Deinen Weg nicht gehen durftest.“, „Jetzt sehe ich meinen Weg und ich werde ihn gehen. Gib mir dazu Deinen Segen.“
· Begrenzung
- Du darfst Dich innerhalb vernünftiger Grenzen entfalten. Wenn Du diese Grenzen überschreitest, werden wir Dich auffangen. Wir werden die Grenzen so setzen, dass sie Deinen Fähigkeiten entsprechen.
- „Werde nicht erwachsen!“, „Sei nicht erfolgreich!“
Meine Wünsche sind grenzenlos. Ich werde nicht geleitet, niemand interessiert sich für mich und mein Wohlergehen. Ich setze meinen Willen durch, auch mit Gewalt. Meine Emotionen sind überschießend und beherrschen mich. - Der Betreffende kennt weder Maß noch Ziel. Er kann mit seinen Emotionen nicht umgehen. Seine Impulse finden keinen guten Ausdruck. Er überschreitet seine Grenzen und gefährdet damit sich und Andere. Er sucht nach jemandem, der ihm seine Grenzen und den Umgang damit zeigt. Andererseits kann er sehr rigide und angepasst sein, weil er schon zu oft angeeckt ist.
- „Es war zu viel Nähe und zu wenig Begrenzung.“, „Ich finde meinen Weg, und ich gebiete mir angemessen Einhalt.“
Es gibt Hoffnung!
Wenn man diese Liste sieht, fragt man sich: „Wie soll ich jemals schaffen, all diese Ansprüche zu erfüllen?“, oder: „Ich habe viele Fehler gemacht!“
Aber keine Angst, Kinder sind fehlertolerant. Sie nehmen die Absicht oft für die Tat, wenn sie also spüren, dass die Eltern sie gut behandeln wollen, verzeihen sie manchen Fehler in der Erziehung. Und sie können manches Versäumnis ohne größere Blessuren überstehen.
Die Schuld der Eltern
Eltern haben zwar Verantwortung für ihr Tun, auch und gerade in der Erziehung, aber es bringt uns nicht weiter, ihnen eine Schuld zuzuweisen. Haben sie nicht verbrecherisch gehandelt (Missbrauch, Misshandlung), haben sie ihr Bestes gegeben, selbst wenn es nicht viel war. Wir kennen weder die Geschichte der Eltern noch ihre inneren Beweggründe. Vergessen wir nicht: Eltern sind selbst Kinder von Eltern, und so werden Skripte und Verletzungen weitergegeben. Die wenigsten hatten die Möglichkeit, ihre Erziehung zu reflektieren.
Wir sollten unseren Eltern also dankbar sein für das, was sie richtig gemacht haben, ihnen ihre Fehler verzeihen, die Versäumnisse hingegen nicht vergessen, denn wir können aus ihnen lernen. Und wir dürfen hoffen, dass unsere Kinder auch nachsichtig mit uns sind.
Wenn wir unseren Eltern weiterhin die Verantwortung für unser eigenes Versagen geben, werden wir nie erwachsen. Erst wenn wir unser Leben in die eigenen Hände nehmen, nur uns selbst für unser Leben verantwortlich machen, weil wir es sind, die unsere Leben führen, können wir eigenverantwortlich leben.