Innere Freiheit ist weder folgsam noch rebellisch
Eltern und andere Erziehungspersonen geben uns, allein dadurch, dass sie uns etwas vorleben, Skripte mit. Skripte sind der unbewusste Lebensplan eines Menschen, nach dem er sich richtet, wie zum Beispiel ein Schauspieler nach seinem Script im Drehbuch (siehe auch: Transaktionsanalyse).
Skripte resultieren aus einer Kombination von Glaubenssätzen und Verhaltensmustern, die uns verbal und nonverbal mitgegeben wurden. Wir können sie nicht nur durch das Verhalten von anderen Menschen verinnerlicht haben, sondern auch durch äußere Umstände, wie zum Beispiel durch unseren Platz in der Geschwisterreihe oder durch Traumata. Skripte können sowohl Einschärfer als auch Antreiber sein.
Die Einschärfer
Einschärfer sind negative Skripte, also solche, die uns etwas verbieten. Hierzu einige Beispiele:
- Sei nicht!
Diese Einschränkung bedroht unsere Existenz, denn sie wünscht in letzter Konsequenz unseren Tod. Unerwünschte Kinder, vor allem auch solche, die eine versuchte Abtreibung überlebt haben, verinnerlichen diesen Einschärfer schon in jüngsten Jahren. Diese Kinder verhalten sich dann extrem unauffällig und angepasst. Sie helfen überall, um gebraucht zu werden und bringen Höchstleistungen. Oft versuchen diese Kinder aber auch der Einschärfung zu folgen, indem sie extrem risikofreudig sind und so einem unbewussten Todeswunsch folgen. - Fühle nicht!
Wurde einem Kind nie vorgelebt, wie man Gefühle erlebt und mit ihnen umgeht, weil die Eltern selbst Probleme mit ihren Gefühlen haben, wird das Kind auch als Erwachsener diesem Einschärfer folgen. Oft weist dann später der Körper auf die nicht gelebten Gefühle durch psychosomatische Krankheiten hin. - Sei nicht erfolgreich!
Kinder, denen nichts zugetraut wird oder deren Eltern mit ihren Leistungen nie zufrieden sind, werden später diesen Einschärfer leben. Es ist auch ein Skript von Aufsteigern, die ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie mehr Erfolg als ihre Eltern haben. Unbewusst werden sie durch ihr Verhalten jeden Erfolg zunichtemachen.
Klassisch wurden zwölf Einschärfer definiert, bei Interesse empfehle ich das III. Kapitel des Buches „Transaktionsanalyse im Coaching“ von Ulrich und Renate Dehner.
Die Antreiber
Antreiber sind positive Skripte, allerdings positiv nur in dem Sinn, dass sie ein Verhalten vorschreiben und es nicht verbieten. Auch hier seien einige Beispiele genannt:
- Sei perfekt!
Dieser Antreiber wird verinnerlicht, wenn Kinder gelernt haben, dass „gut“ nicht „gut genug“ ist. Dabei werden diese Kinder später von der Angst vor Fehlern getrieben und können sich über keinen Erfolg freuen. Sie nerven sich und ihr Umfeld mit ihren Ansprüchen an Perfektion und können niemanden loben. Dabei führt Perfektion keineswegs zum Erfolg, denn am meisten lernt manaus Fehlern. - Streng Dich an!
Auch dieser Antreiber bringt kein gutes Ergebnis hervor. Der Sklave dieses Antreibers wird bei einem Erfolg, der ihm ohne Anstrengung gelungen ist, unzufrieden sein und am Ergebnis immer weiter arbeiten wollen. Er wird nie fertig und erschöpft sich in Kleinigkeiten. Selbstausbeutung ist seine Lebensmaxime. - Beeil Dich!
Sich zu beeilen klingt zuerst einmal gut, denn wer will nicht Ergebnisse in kürzester Zeit erreichen. Aber auch er hat einen Pferdefuß: er führt zur Hektik. Wer diesem Antreiber folgt, kann sich nie Zeit nehmen, eine Sache zu durchdenken. Diese Hektiker stehen ständig unter Spannung, selbst Vergnügen werden in kürzest möglicher Zeit „abgearbeitet“. Es sind die Antreiber im Beruf und die Kilometerfresser im Urlaub.
Es gibt noch mehr, klassischerweise kennt man fünf Antreiber.
Die Einschränkungen durch Skripte
Wenn wir Skripten folgen, schränken wir unsere Handlungsmöglichkeiten stark ein. So können wir nicht alle unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten ausschöpfen, sondern sind eingeschränkt wie ein Schauspieler, der auf der Bühne nicht alles machen und sagen darf, sondern sich nach seinem Skript richten muss.
Aber auch, wenn wir ganz bewusst das Gegenteil dessen tut, was uns als Kind eingebläut wurde („Ich mache alles anders als meine Eltern!“), ist unsere Einschränkung nicht geringer. Denn auch wenn es in einem bestimmten Zusammenhang besser wäre, eine Sache genauso anzugehen, wie es unsere Eltern getan hätten, können wir dann diesen Lösungsweg nicht beschreiten.
Ist es also falsch, den Eltern zu folgen, oder auch das Gegenteil zu tun? Volle Handlungsfreiheit erreiche ich jedenfalls auf diesen Wegen nicht.
Wie erreiche ich Freiheit im Handeln?
Freiheit erreiche ich weder, indem ich jemandem blindlings folge, noch indem ich immer das Gegenteil dessen tue, was derjenige tun würde. Nur wenn ich mir alle Handlungsoptionen offen lasse, habe ich die Freiheit, auf eine Situation angemessen zu reagieren.
Dummerweise sind mir aber die Skripte, die mich einschränken, nicht bewusst. Sie wirken – und sind deshalb besonders wirkungsvoll – aus dem Unbewussten. Und selbst wenn sie mir bewusst sind, greife ich in Stresssituationen ohne zu überlegen auf anscheinend bewährte Lösungen zurück, auf Lösungen, die ich schon in der Kindheit angewendet habe. Deshalb handeln Menschen unter Stress wenig rational, sie handeln panisch und unüberlegt wie Kinder.
Fazit
Jeder von uns ist durch Skripte geprägt. Deshalb ist der erste Schritt zur Handlungsfreiheit, sich seiner Skripte bewusst zu werden:
- Welche sind es?
- Wer hat sie uns eingeprägt?
- Hatte derjenige überhaupt die Kompetenz dazu?
- Waren sie vielleicht damals richtig, sind jedoch im heutigen Zusammenhang falsch?
Diese Fragen zu beantworten, ist der erste Schritt. Der zweite ist, uns von ihnen zu lösen und unseren eigenen Weg zu gehen. Und der dritte, das auch unter Stress zu beizubehalten und so Souveränität zu erreichen..
Ich gebe zu, das ist nicht leicht. Skripte, die uns jahrelang eingeimpft wurden, lassen sich nicht innerhalb kurzer Zeit unwirksam machen. Dennoch lohnt es sich, daran zu arbeiten. Ich habe beim Coaching schon häufig erlebt, welche Entlastungen und Chancen ein aufgelöstes Skript bietet. Machen Sie sich auf den Weg! Ich begleite Sie gerne.