Veränderungen machen Angst
Hier bei uns in Mittelfranken gibt es viele Karpfen-Teiche, in denen auch Frösche laichen. Dabei kann man beobachten, dass die Frösche an idealen Teichen vorbeihüpfen, um in einem weiter entfernten Hochzeit zu feiern, obwohl der vielleicht gar nicht so ideal ist. Warum? Ein Frosch laicht immer in dem Teich, in dem er geschlüpft ist. Denn der hat schließlich bewiesen, dass er zur Aufzucht von Fröschen geeignet ist, ist doch dieser Frosch in ihm erfolgreich aufgewachsen. Würde er einen anderen Teich wählen, wäre das vermutlich ein Risiko für seine Nachkommen, denn der andere hat schließlich seine Eignung für die Froschbrut diesem Frosch noch nicht bewiesen.
Systeme und Veränderungen
Wie dem Frosch geht es allen Systemen. Sie sehen eine Gefahr darin, sich zu verändern, denn so wie sie sind, haben sie schließlich überlebt. Jede Änderung ist ein Risiko, das Überleben könnte gefährdet sein. Und da jedes System überleben will, und eine Gefahr Angst erzeugt, fürchtet jedes System Veränderungen. Auch ein Mensch ist ein System, und auch der Mensch fürchtet Veränderungen.
Warum überwinden wir nicht unsere Furcht und nehmen mutig Veränderungen in Angriff? Nun, wir sind die Nachkommen von vorsichtigen Menschen, denn die mutigen hat der Säbelzahntiger gefressen, sodass sie keine Nachkommen gezeugt haben. Also sind wir eher vorsichtig. Es braucht schon eine Menge Überredung, dass wir das Risiko einer Veränderung auf uns nehmen. Als Nachkommen von Angsthasen müssen wir unser Großhirn bemühen, um die Angst, die unser Reptiliengehirn meldet, zu überwinden. Veränderungen erfordern also Zeit und intellektuelle Anstrengung – übrigens ein Grund, warum Leute, die jeder Veränderung aus dem Weg gehen, also extrem konservativ sind, meist nicht so sehr geübt in der Benutzung des Großhirns sind.
Veränderungen und Angst
Veränderungen willkommen zu heißen, ist also eine intellektuelle Leistung, die ich auf keinen Fall erzwingen kann, indem ich weitere Angst und Druck erzeuge – denn dann schlägt das Reptilienhirn wieder zu, das nur Kampf, Flucht oder Erstarrung kennt. Und gerade das sollten wir ja vermeiden, wenn wir andere Leute von Veränderungen überzeugen wollen. Es nützt also nichts, wenn wir sagen: „Um die Klimakatastrophe zu verhindern, müssen wir uns ändern, denn sonst werden wir alle sterben, und eigentlich ist es schon fast zu spät!“ Damit erreichen wir keinen Veränderungswille, sondern Angststarre oder einen Angriff auf uns. Denn was Angst erzeugt – in diesem Fall wir – wird kompromisslos bekämpft. Wir sehen schließlich, wozu die ängstlichen Impfgegner in der Lage sind – sie drohen Impfbefürwortern in der Politik den Tod an. Ich befürchte, wir werden demnächst den ersten Mord im Zusammenhang mit der Impfpflicht erleben.
Was also tun? Um Veränderungen zu erreichen, dürfen wir also nicht die Gefahren des Beharrens im alten Zustand schildern, sondern wir sollten auf jeden Fall das Positive betonen, also welche Vorteile der Empfänger von der Veränderung hat. Also nicht: „… sonst sterben wir alle!“, sondern vielleicht: „… wir alle wollen schließlich wieder Schmetterlinge fliegen sehen und Vögel singen hören.“ Bestimmt fallen Euch noch ein paar bessere Argumente ein.
Würdigung des Bisherigen
Und ein weiteres Vorgehen ist kontraproduktiv: Jemandem zu sagen, er müsse sich ändern, denn alles, was er bisher getan hätte, wäre falsch. Zum einen wird sich niemand so ohne weiteres ändern, höchstens sein Verhalten. Außerdem ist es nicht gut, jemandem zu erzählen, er hätte sein ganzes bisheriges Leben falsch gelebt. Vor allem die Jungen müssen sich dann fragen lassen: Wovon habt ihr denn bisher gelebt? Wohl doch von den Eltern, die durch ihre Lebensweise in der Lage waren, Euch zu ernähren. Die vorherigen Leistungen müssen gewürdigt werden, sonst kommt es zum Widerstand. Wir kennen das von der Reaktion auf die 68’er: Diese haben die Leistung der „Alten“ nicht gewürdigt, sondern alle kompromisslos infrage gestellt, was bisher gegolten hat. Darauf sind diese so hilflos und wütend geworden, dass sie den „Revoluzzern“ Arbeitslager angedroht haben. Ein anderes Beispiel ist die Wiedervereinigung: Plötzlich war alles, wofür die „Ossis“ gearbeitet haben, nichts mehr wert. Deshalb haben die sich unbehaglich, abgewertet und beleidigt gefühlt, was zusammen mit der Reaktion der „Wessis“ die beiden Teilstaaten bis heute trennt.
Wir dürfen nicht denselben Fehler begehen, die „Alten“ – zu denen auch ich gehöre – um des Klimaschutzes willen abzuwerten. Natürlich haben wir CO2 rausgeblasen, ohne auf die Klimaerwärmung Rücksicht zu nehmen, aber zu unserer Zeit hat die Forschung noch vor einer neuen Eiszeit gewarnt, man wollte sogar Ruß auf die Eisflächen der Arktis streuen, um die Rückstrahlung der Sonnenstrahlen zu verhindern.
Fazit
Um es noch einmal zusammenzufassen:
- Systeme haben Angst vor Veränderungen, das ist biologisch bedingt.
- Druck und Angst verhindert Veränderungen.
- Bisherige Leistungen dürfen nicht abgewertet werden.
Nur so haben wir eine Chance, möglichst viele ins Boot zu holen und so die Klimaziele doch noch zu erreichen.