Religionen (II)
Im vorherigen Blog habe ich über Animismus und Polytheismus geschrieben, hier geht es um Monolatrie/Polylatrie, Monotheismus, Dualismus und atheistische Religionen.
Monolatrie/Polylatrie
Bei diesem Glaubenssystemen ist eine Glaubensgemeinschaft durchaus bereit, die Existenz anderer Gottheiten anzuerkennen, glaubt aber, dass für ihre Gemeinschaft nur ein Gott (Monolatrie) beziehungsweise eine Gruppe von Göttern (Polylatrie) zuständig ist, andere Götter sind für andere Glaubensgemeinschaften, nicht aber für die eigene von Bedeutung.
Ein Beispiel für Monolatrie ist das frühe Judentum. Es glaubte, dass JHWH das jüdische Volk auserwählt hatte, um es zu unterstützen und zu leiten. Er versprach, sich ausschließlich um die Juden zu kümmern, verlangte aber dafür, dass die Juden nur ihn verehrten. Deshalb wird das Gebot „Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!“ verständlich, denn es sagt ja aus, dass es fremde, also andere Götter gibt. Auch das Selbstverständnis der Juden als das auserwählte Volk ist somit kein Ausdruck jüdischer Überheblichkeit, sondern nur die Beschreibung der besonderen Beziehung von Juden und JHWH zuzuschreiben. Später allerdings entwickelte sich das Judentum zum Monotheismus.
Monotheismus
Der Glaube an einen einzigen Gott erfordert eine höhere Abstraktion als der Polytheismus, denn alles geht dabei von einem einzigen allmächtigen und allwissenden Schöpfergott aus. Die bedeutendsten monotheistischen Religionen sind das Judentum, das Christentum und der Islam. Das Judentum hat dabei eine Sonderstellung, denn es ist der einzige Monotheismus, der nicht missioniert, da er aufgrund seiner monolatrischen Wurzeln nur für Juden von Bedeutung ist. Der jüdische Gott spricht nur das von ihm auserwähltes Volk an. Christentum und Islam sind Religionen, die die Existenz nur eines Gottes anerkennen, der über alle Menschen herrscht. Deshalb sind sie auf Wachstum, das heißt die Bekehrung Ungläubiger angelegt und haben aufgrund dieser Überzeugung häufig religiös begründete Kriege geführt haben, deren eigentlicher Grund allerdings meist Machtzuwachs war.
Der Eine Gott ist so weit von den Menschen entfernt, dass die Menschen oft Vermittler brauchen, um mit ihm in Verbindung treten zu können. Deshalb gibt es in monotheistischen Religionen eine starke Priesterschaft, ohne die in der Regel kein Gläubiger Gott erreichen kann. Es kommt auch zur Integration des Polytheismus und der Ahnenverehrung, denn es gibt Vermittler, sogenannte Heilige, die zwar nicht selbst die durch Gebete geäußerten Wünsche der Menschen erfüllen können, aber als Fürsprecher der Gläubigen bei Gott auftreten. Zusätzlich glauben Polytheisten an Engel, die Gott als Vollstrecker seines Willens geschaffen hat. Engel und Heilige werden oft als „kleine Götter“ verstanden, die den allmächtigen, fernen Gott menschlicher machen.
Der monotheistische Gott benötigt natürlich kein übergeordnetes Prinzip, denn er repräsentierte dieses in eigener Person. Allerdings gibt es zwei Probleme:
- Das erste ist die Unmöglichkeit der Entstehung Gottes, denn da er allmächtig ist, darf es niemanden geben, der ihn erschaffen hat. Wenn er aber als Wirkung ohne Ursache existiert, widerspricht er damit der Lehrmeinung zur Entstehung der Erde, die die Notwendigkeit der Existenz eines Schöpfergottes damit begründet, dass es keine Wirkung ohne Ursache gibt.
- Das zweite ist die Existenz des Bösen und des Leidens, das der Allgüte Gottes widerspricht. Somit glauben Monotheisten an den Teufel, einen ehemaligen Engel, der sich von Gott abgewendet hat. Wirklich befriedigend ist dieses Hilfskonstrukt aber nicht, denn nichts kann nach monotheistischer Lehrmeinung ohne den Willen des allmächtigen Gottes entstehen. Aus diesem Widerspruch heraus entstand der Dualismus.
Dualismus
Im Dualismus gibt es zwei gleichmächtige und voneinander unabhängige Götter, die einander diametral gegenüberstehen und sich gegenseitig bekämpfen: das Gute und das Böse. Die Welt ist das Schlachtfeld, auf dem dieser Kampf ausgetragen wird, und die Menschen haben sich für eine der beiden Seiten zu entscheiden und sie zu unterstützen. Dualistische Religionen sind bzw. waren der Zoroastrismus, die Gnosis und der Manichäismus.
Der Dualismus erklärt damit, warum es das Böse und das Leiden der Menschen auf der Welt gibt, hat allerdings keine Erklärung für das universelle Prinzip, also dafür, wie die Regeln entstanden sind, nach denen Gut und Böse miteinander kämpfen.
Atheistische Religionen
Ja, es gibt sie, Religionen ohne Götter. Nach der Auffassung dieser Religionen gibt es ein universelles Prinzip, das Naturgesetzen folgt und keiner Laune von Göttern unterworfen ist. Zu diesen Religionen gehören Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus und im westlichen Kulturkreis der Stoizismus und der Humanismus, den ich aufgrund seiner Bedeutung für uns in einem eigenen Abschnitt behandeln möchte.
Humanismus
Der Humanismus geht davon aus, dass der Mensch über eine heilige Natur verfügt, die sich von der Natur aller anderen Wesen, insbesondere der Tiere, unterscheidet. Somit hat er sich wohl am weitesten vom Animismus entfernt. Es gibt ihn in mindestens drei verschiedenen Ausprägungen:
- Der liberale Humanismus, der die Freiheit des einzelnen Menschen betont und zu schützen versucht.
- Der sozialistische Humanismus, der die Gleichheit aller Menschen anstrebt.
- Der evolutionäre Humanismus, der die biologische Höherentwicklung des Menschen zum „Übermenschen“ zum Ziel hat und diese durch die Ausmerzung von „Untermenschen“ zu erreichen versucht.
Wir sehen also, dass der Humanismus keineswegs das sein muss, was wir gemeinhin als „human“ bezeichnen. Alle humanistischen Religionen betrachten, wie die anderen Religionen außer dem Animismus auch, den Menschen als etwas ganz Besonderes, der sich von Tieren, Pflanzen und anderen Phänomenen wesentlich unterscheidet. Menschen tragen also nach diesem Glauben etwas Gottähnliches in sich, der keinen Gott benötigt.
Wissenschaft
Die Wissenschaft ist keineswegs eine Religion, trotzdem gibt es Menschen, die sie als Religion bezeichnen. Sie berufen sich dabei darauf, dass es auch bei ihr Axiome gibt, zum Beispiel Grundsätze der Logik oder der Mathematik. Weiterhin seien Wissenschaftler Priester, denn deren Aussagen seien von Anderen nicht nachvollziehbar.
Hier irren die Wissenschaftskritiker. Es ist gerade das Wesen der Wissenschaft, dass jede ihrer Aussagen grundsätzlich nachvollziehbar ist, allerdings nicht von Menschen, denen Intelligenz oder eine entsprechende Vorbildung fehlt. Wissenschaft unterscheidet sich gerade dadurch von Religionen, dass keine ihrer Aussagen von höheren Wesen offenbart wurde und damit unanfechtbar ist. Eine durch viele Beobachtungen mehrerer Wissenschaftler begründete Aussage nennt man eine Theorie. Wenn eine Aussage nur durch wenige Beobachtungen einzelner Wissenschaftler gestützt wird, heißt sie Vermutung. Beide sind nur solange gültig, bis sie falsifiziert wurden, bis also eine Beobachtung gefunden wurde, die ihnen widerspricht. In der Wissenschaft – und das begründet ihre Sonderstellung – gibt es keine ewigen Wahrheiten, sondern höchstens gut begründete Theorien, die bis zu ihrem Gegenbeweis gültig sind.
Fazit
Wir sollten auf keine Religion herabblicken, nur weil sie nicht unserer Denkgewohnheit und unserer Überzeugung entspricht. Mit allen Religionen haben Menschen versucht, ihr Dasein zu begründen und ihm einen Sinn zu geben. Wir sollten allerdings immer daran denken, dass eine Religion unser Denken auch einschränkt, weil bestimmte Gedankengänge ihrem Glauben widersprechen und damit zur „Sünde“ werden. Wir sollten daran denken, in welcher Umgebung und in welchem Zusammenhang eine Religion entstanden ist und sie als eine mögliche Lösung der dort existierenden Probleme betrachten. Wir sollten uns aber nicht durch eine Religion von eigenem Denken abhalten lassen.
Der Blockbeiträge wurde angeregt durch einige Kapitel des Buches „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ von Yuval Harari.