Akzeptanz in der Partnerschaft
Was denn? jetzt habe ich die ganze Zeit gepredigt, dass Streit in der Partnerschaft wichtig sei, dass eine Partnerschaft ohne Streit Gefahr laufe, den Kältetod zu sterben, und jetzt komme ich mit Akzeptanz daher. Kein Streit mehr, oder was?
Gemach, liebe Freundinnen und Freunde! Akzeptanz ist nicht Friede, Freude, Eierkuchen! Bevor wir hier etwas falsch verstehen, sollten wir einiges klar stellen: Streit dient dazu, die eigenen Interessen deutlich zu machen und zu einem Ausgleich mit dem Partner zu kommen. Ohne Streit wird die Partnerschaft einseitig: Einer gibt immer nach, ohne dass dem Anderen klar wird, dass er sich jetzt wieder durchgesetzt hat. Denn der Partner hat wieder einmal klaglos und selbstverständlich nachgegeben. Der, der sich durchgesetzt hat, hat noch nicht einmal gemerkt, dass er den anderen vielleicht verletzt hat, und dass sich die Verletzungen anhäufen. Das ist gefährlich, denn dann kann es zu einem plötzlichen Knall kommen, der die Partnerschaft zerreißt. Dass ist keine Grundlage für eine gelingende Partnerschaft – also lieber rechtzeitig seine Bedürfnisse anmelden und streiten.
Akzeptanz
Akzeptanz ist nun etwas ganz anderes als einfach die Klappe zu halten. Es hat nichts mit Nachgeben zu tun. Gegenseitige Akzeptanz sollte auch in einem Streit nicht verloren gehen. Dass ich die Bedürfnisse des Anderen akzeptiere heißt nicht, dass ich meine hintanstelle. Akzeptanz bedeutet, dass ich die Unterschiede in Wesen und Bedürfnissen zwischen mir und meinem Partner sehe und als seine und meine Besonderheiten begrüße. Ich habe ihn oder sie schließlich so geheiratet, wie er oder sie ist. Wenn ich es früher toll fand, dass sie immer schick aussah, darf ich mich jetzt nicht über die Zeit aufregen, die sie vor dem Spiegel verbringt. Warum sollte ich meinen Partner ummodeln wollen? Wenn ich jemand anderen will, sollte ich auch jemand anderen heiraten und nicht versuchen, jemanden passend zu verbiegen.
Früher sind nicht nur Ehepartner, sondern sogar Psychologen davon ausgegangen, dass man das Wesen eines Menschen grundlegend ändern kann, inzwischen haben zumindest die Psychologen dazugelernt. Die grundsätzlichen Eigenschaften eines Menschen, seine inneren Anteile, sind nicht zu ändern. Also muss habe den anderen zu akzeptieren, wie er ist. Aber dieser Schritt ist schwieriger, als er sich anhört. Der Andere geht mir schließlich mit seinen Eigenheiten auf die Nerven. Nicht schlimm, aber immer wieder. Den Anderen lieben heißt auch, ihn und seine Bedürfnisse – kleine wie große – ernst nehmen. Die kann man allerdings nicht riechen, der Andere muss sie anmelden.
Die berüchtigte Klobrille
So habe ich letzthin von einem Paar gehört, das nach Jahren einen Streitpunkt abgeschafft hat: die Klobrille.
Nachdem seine Frau zum gefühlt 10.000sten Mal die geöffnete Klobrille angemahnt hatte, hätte der Krach – ich sage mit Absicht nicht Streit, denn Streit ist etwas anderes – eigentlich wie gewohnt weiter gehen können: „Immer lässt Du die Klobrille oben!“ – „Das stimmt nicht, ich mach sie immer runter. Das hab ich jetzt nur einmal vergessen, und Du machst wie immer ein Drama draus!“ – „Ja?! Wie kommt es dann, dass ich die Klobrille immer runter machen muss?“ Und so weiter und so fort.
Diesmal aber hatte sich der Mann etwas anderes einfallen lassen: „Ich brauche die Klobrille oben. Wenn ich auf den Klo gehe, ist sie aber meist unten. Das finde ich ok, Du brauchst sie unten, sehe ich ein. Ich klappe sie also nach oben, ohne zu schimpfen, das ist nicht schwer. Warum klappst Du sie nicht einfach herunter, wenn sie oben ist, und gut ist?“ Die Frau wusste keine Begründung dagegen – gleiches Recht für alle leuchtete ihr ein. Indem das Paar seine gegenseitigen Bedürfnisse akzeptiert hatte, konnte es den ewigen Krach beilegen.
Ein anderes Beispiel ist die berühmte Tube, aus der Eine gern ordentlich von unten nach oben die Zahnpasta herausdrückt, während der Andere sie irgendwie herausquetscht. Was spricht dagegen, zwei Tuben anzuschaffen, so dass jeder seine Tube so behandeln darf, wie er will? Man hat schließlich auch zwei Zahnbürsten, und bei denen kommt man auch nicht durcheinander.
Dauerkonflikt und ihre Folgen
Solche überflüssigen Dauerkonflikte gibt es zuhauf. Es sind die kleinen Nadelstiche, die Beziehungen zerstören, nicht die großen Fragen. Es ist wie bei den Zeitfressern im Büro: Jeder für sich ist klein, aber da sie häufig sind, brauchen sie einen großen Teil unserer Zeit, und zum Schluss wissen wir nicht mehr, wo der Tag geblieben ist. Die Liebesfresser sind ähnlich: klein, überflüssig, aber immer wieder auftretend. Und zum Schluss wissen wir nicht mehr, wo die Liebe geblieben ist.
„Liebesfresser!“
Reden Sie mit Ihrem Partner über die Liebesfresser. Einigen Sie sich darauf, dass jeder von ihnen bei einem seiner Meinung nach unnötigen, kleinlichen Streit das Recht hat, „Liebesfresser!“ zu rufen. (Sie können sich natürlich auch auf ein anderes Codewort einigen.) Wenn Sie einer solchen Streiterei dieses Etikett anhängen können, verliert sie ihren emotionalen Sog. Sie hat dann nicht mehr die Kraft, uns davon abzuhalten, unsere gegenseitigen Eigenheiten und Bedürfnisse zu sehen und zu akzeptieren. Wir können dann ohne Zänkereien über das Thema sprechen, wie erwachsene Leute, ohne „Immer …“ und „Nie …“ und ohne „Meine Mutter hat damals schon gesagt …“. Wir stellen vielleicht fest, dass hinter dem Anlass für diesen Streit ein ganz anderer Grund steht. Das ist dann das eigentliche Thema, an das wir uns vielleicht nicht herangetraut haben, weil es tiefer geht. Oder das wir in adrenalingeschwängerter Atmosphäre nicht erkennen konnten.
Fazit
In der lösungsfokussierten Gesprächsführung gibt es die berühmte Frage: „Und was noch?“, mit deren Hilfe der Coachee hinter die Oberfläche seiner Antwort schauen kann. Diese Frage sollten Sie sich selbst in einer Zänkerei stellen. Oder zumindest hinterher, wenn das Adrenalin wieder seinen normalen Pegel erreicht hat. Sie hilft, den eigentlichen Grund des Streits zu erkennen. Denn Liebesfresser dürfen keine Ausrede sein, nicht um unsere Partnerschaft zu kämpfen. Sie dürfen die Akzeptanz für unseren Partner nicht verschwinden lassen, und sie dürfen uns nicht daran hindern, unsere eigenen blinden Flecke anzuschauen. Streiten ist ok – aber mit Regeln, Liebe und Akzeptanz!
PS: Die Frau aus unserem Klobrillen-Beispiel ist schließlich dahinter gekommen, warum sie offenstehende Brillen so fuchsig gemacht haben. Das war eine ganz andere Geschichte, die weder mit Klobrillen noch mit ihrem Mann etwas zu tun hatte. Es gab sogar ein Happy End, ganz klassisch-kitschig: Nachdem der Mann ihre Gründe kannte, hat er ihren Wunsch nicht mehr als ein gegen ihn gerichtetes Gezänk verstanden und konnte sich bemühen, die Brille zuzumachen. Das hat nicht immer geklappt, alte Gewohnheiten sterben langsam. Aber die Frau konnte ihrerseits seine Bemühungen anerkennen. Sie sind immer noch verheiratet.