Fanatiker sind oft Narzissten
Um diesen Artikel besser verstehen zu können, empfehle ich das Lesen der zwei vorhergehenden über Narzissmus.
Typische Fanatiker lieben Ideen mehr als Menschen, sogar mehr als sich selbst. Sie sind deshalb scheinbar bereit, hohe Opfer für diese Ideen zu bringen. Das scheint erst einmal dem Bild eines grandiosen Narzissten zu widersprechen, der sich selbst für wichtiger hält als alle Anderen. Wir müssen allerdings näher hinschauen, um zu erkennen, dass Narzissmus und Fanatismus durchaus zwei Seiten derselben Münze sind.
Verliebt in eine Idee
Ideen haben den Vorteil, dass sie keine Gefühle haben und dass man ihnen deshalb auch keine Gefühle entgegenbringen muss. Die „Liebe zu einer Religion / Volk / Nation / Wirtschaftssystem …“ ist kein wirkliches Gefühl, denn nur gegenüber Menschen kann man echte Gefühle haben. Gefühle können nur dann echt sein, wenn sie auch erwidert werden können, alles andere sind Schwärmereien.
Ideen haben auch den Vorteil, dass ihre Vertreter sofort sagen können, wer ihnen auf die richtige Weise anhängt und wer Dissidenten oder Gegner der Idee sind. Eine Idee ist einfach und monokausal, denn sie wurde von Menschen erdacht – auch wenn sie angeblich von einer höheren Macht den Menschen gegeben wurde. Die Wirklichkeit aber, und vor allem die Menschen, sind komplex, menschliche Handlungen oft schwer zu ergründen. Ein Narzisst, der sich sowieso ungern mit anderen Menschen beschäftigt, empfindet sie nur so lange als wichtig, wie sie seinen Zielen dienen. Er ist froh, sein Leben einer im Vergleich zu Menschen einfachen Idee widmen zu können. Er ist außerdem davon überzeugt, dass die Großartigkeit der Idee – und für eine andere als eine großartige würde er sich nicht interessieren – auf ihn abfärbt. Je großartiger und allumfassender die Idee, umso wichtiger kann er sich empfinden.
Fanatismus erhöht den Status
Je fanatischer ein Mensch eine Idee verfolgt, desto höher wird der Status, den er unter den Verfechtern dieser Idee einnimmt. Deshalb kann die scheinbar selbstlose und fanatische Hingabe an eine Idee durchaus zu einem grandiosen malignen Narzissten passen. Er ordnet sich der Idee unter, um durch sie indirekt Macht und Bedeutung zu erlangen.
Der Fanatiker kann sich so durchaus Macht verschaffen, ja sogar Macht über das Leben anderer Menschen, wenn er sich berechtigt fühlt, für die Idee und ihre Reinerhaltung zu töten.
Selbstmordattentäter
Begeht ein Fanatiker Selbstmord für eine Idee, erringt er dadurch besonders hohe Achtung in den Augen derer, die sich wie er dieser Idee verschrieben haben, denn er hat das höchste Opfer gebracht. Er wird zum Märtyrer der „Bewegung“ und sein Ruhm reicht über seinen Tod hinaus. Für einen Narzissten kann also die finale Hingabe ein hohes Ziel sein, erringt er doch dadurch in seiner Vorstellung Unsterblichkeit. Er genießt in seiner Phantasie im Tod endlich die Achtung, die ihm seiner Meinung nach gebührt und zeigt damit seine Bedeutung den Personen, die ihn als Kind abgewertet haben. Er ersetzt die fehlende Bindung zu den Bezugspersonen durch die Bindung an die Idee und deren Vertreter.
Steigern kann er diese narzisstische Befriedigung nur noch dadurch, dass er möglichst viele „Feinde“ oder „Ungläubige“ mit in den Tod nimmt, denn die Macht über das Leben Anderer läßt sich durch nichts übertreffen. So werden bindungsgeschädigte Kinder zu bedauernswerten grandiosen Narzissten und schließlich zu fanatischen Ungeheuern.
Die Rache der Entehrten
Wir sehen also, dass Fanatiker nur Rache nehmen wollen für ihre narzisstischen Verletzungen, die sie meist in ihrer Kindheit erlitten haben. Allerdings werden sie andere Gründe vorschieben:
- Die Reinheit einer Idee muss verteidigt werden, ihr muss die Bedeutung gegeben werden, die ihr gebührt. An allen, die dieser Idee schaden, muss Rache genommen werden. Dabei ist der Fanatiker berechtigt zu entscheiden, wer dieser Idee im Wege steht und deshalb „beseitigt“ werden muss.
- Es muss Rache genommen werden für das Unrecht, das einer Gruppe von Menschen zugefügt wurde, der man angehört oder für die man zu kämpfen vorgibt.
- Kampf für die Freiheit dieser Gruppe, wobei man nach der Befreiung berechtigt ist, diese Gruppe zu führen, weil man so viel für sie getan hat.
Wenn man die Geschichte betrachtet, haben Fanatiker der Gruppe, für die sie angeblich gekämpft haben, nach deren Befreiung mehr angetan, als die Unterdrücker vorher, nach dem Motto: „Schlimmer geht immer“ und „Die Revolution frisst ihre Kinder“. Fanatismus ist ein schlechter Ratgeber, psychisch nicht vorgeschädigte Menschen werden selten Fanatiker.
Fazit
Wir sehen also, dass maligne Narzissten nicht nur einzelnen Menschen, sondern auch Vielen und in der Regel Unbeteiligten großen Schaden zufügen können. Wir sollten also alles tun, damit unsere Kinder nicht zu Narzissten werden, wir sollten sie um ihrer selbst willen lieben, und nicht aufgrund ihrer Leistungen und Eigenschaften. Kinder, die eine sichere Bindung erfahren haben, sind für ein gutes Leben gerüstet.