Skripte schränken ein
Jeder von uns kennt wahrscheinlich Männer und (vor allem) Frauen, die trotz hervorragender Ausbildung und beeindruckendem Fleiß Schwierigkeiten haben, die Früchte ihrer Anstrengungen zu ernten. Sie bleiben relativ erfolglos, andere mit geringerer Kompetenz überholen sie und haben mit weniger Mühe mehr Erfolg. Manchmal brauchen wir gar nicht so weit zu schauen, um einen solchen Menschen zu erkennen, es reicht ein Blick in den Spiegel.
Woran liegt es, dass manche Menschen „die PS nicht auf die Straße“ bringen? Ihr Motor arbeitet auf höchster Leistung, aber das Auto bewegt sich kaum. Manchmal liegt es an der Umgebung – ein Rennwagen ist nun einmal nichts fürs Gelände. Oft aber liegt es an der Kraftübertragung – der Pilot hat den „falschen“, das heißt unpassenden Gang eingelegt oder „vergessen“ auszukuppeln. Und weshalb hat er solche Fehler gemacht? Nicht, weil er dumm oder unfähig ist – es liegt an Skripten, die er verinnerlicht hat.
Was ist ein Skript?
Skripte – auch Glaubenssätze genannt – sind laut Transaktionsanalyse Imperative, denen wir folgen, weil wir sie in der Kindheit und Jugend verinnerlicht haben. Sie wurden uns von wichtigen Bezugspersonen weitergegeben und können Antreiber („Mach dieses!“) oder Bann-Botschaften („Das macht man nicht!“) sein. Manche sind hilfreich für unsere Sozialisation – zum Beispiel wie man sich bei Tisch benimmt – andere schränken uns erheblich ein.
Moment mal, das kommt uns doch bekannt vor! Wenn wir dem Beispiel einer Bezugsperson aus der Kindheit folgen, ist das dann nicht ein Introjekt? Ja, und in meinem Buch* habe ich auch beschrieben, wie Introjekte und Skripte zusammenhängen. Ein Introjekt ist ein Bild einer Person in einer bestimmten Situation, die wir uns aufgrund der Wichtigkeit der Person oder der Aussage eingeprägt haben. Wir können also vom Vater verschiedene Introjekte haben: wie er uns liebevoll umarmt, wie er uns ausschimpft oder eben, wie er uns einen bestimmten Zusammenhang beibringt. Der kann dann so wichtig sein, dass wir ihn gar nicht mehr mit dem Vater in Verbindung bringen, sondern dass er ein Eigenleben bekommt, selbst zum Introjekt wird. Wir glauben dann, dass er ein Teil unseres Selbst ist, er wird vielleicht sogar unbewusst.
Warum leitet uns das Skript immer noch?
Deshalb ist es wichtig, dass wir ergründen, wozu, also für welchen Zweck wir ein bestimmtes Verhalten zeigen. Oft folgen wir einem Script, weil wir die Zugehörigkeit zu unserer Herkunftsfamilie stärken wollen und weil wir es unseren früheren Bezugspersonen immer noch recht machen wollen. Dann kümmert sich eine Frau nicht um Mathematik, weil es vom Vater erfahren hat, dass Mathematik nichts für Mädchen ist. Und ein Mann kommt nicht mit Frauen klar, weil er von der Mutter erfahren hat: „Alles Schlampen außer Mama!“ Um den Vater nicht zu übertreffen und die Mutter nicht zu betrügen, nehmen wir große Einschränkungen in Kauf, auch wenn beide längst tot sein sollten. Das Skript zu befolgen, war für das Kind sinnvoll, weil es die Bezugspersonen unbedingt brauchte, heute aber sind diese Skripte schlichtweg falsch, weil einschränkend.
Ein solches Skript ist also verinnerlicht und wir werden ihm folgen, solange wir es nicht als von außen induziert erkennen und infrage stellen können. Was können wir also tun, wenn wir feststellen, dass uns bestimmte Verhalten einschränken? Wenn wir die Einschränkungen erkannt haben, haben wir schon einen wichtigen Schritt getan. Die nächste Frage ist, was unser Unbewusstes damit erreichen wollte, uns so handeln zu lassen, dass es uns geschadet hat. Also nicht die Frage nach dem „Warum“ ist wichtig, sondern die nach dem „Wozu“. Wenn wir es jetzt noch schaffen, das zugrunde liegende Skript zu formulieren und vielleicht sogar herauszufinden, in welcher Situation und durch welche Bezugsperson es entstanden ist, erkennen wir vielleicht auch, aus welchem Grund wir ihm bis heute folgen.
Wie ein Skript verabschieden?
Es ist keinesfalls so, dass wir einem einschränkenden Skript folgen, weil wir dumm sind. Die Befolgung dieses Skripts war in unserer Kindheit durchaus sinnvoll, intelligent und vielleicht sogar lebensnotwendig. Heute aber hindert uns dieses Verhalten daran, unser Leben erfolgreicher zu meistern. Leider reicht es nun meist nicht, das intellektuell erfasst zu haben. Vor allem in einer Stresssituation werden wir trotzdem in das in der Kindheit gelernte Verhalten zurückfallen. Es hilft auch nichts, dieses Skript zu bekämpfen. Es versteckt sich dann sozusagen in unserem Unterbewussten und wird so nur noch mächtiger. Hilfreich ist es, das Skript modellhaft als einen speziellen Inneren Anteil, ein Introjekt* zu betrachten. Dann können wir ihm symbolisch danken, dass es so viele Jahre gut auf uns aufgepasst hat und uns aus mancher brenzlichen Situation herausgeholfen hat. Danach können wir ihm erklären, dass sich die Situation geändert hat und dass wir seine Hilfe in dieser Form nicht mehr brauchen. Vielleicht können wir das Skript leicht umformulieren und ihm so eine sinnvolle Aufgabe geben. Möglicherweise müssen wir es aber auch bitten, zu gehen, da es in unserer Situation nicht mehr hilfreich ist.
Diese Arbeit ist nicht einfach, denn wir müssen dafür unser Unbewusstes erforschen und beeinflussen. Eine Methode dafür ist die Aufstellung des Inneren Systems*.
Fazit
Skripte, die unsere Handlungsfreiheit so einschränken, dass wir uns selbst im Wege stehen, können ein gutes Leben, sei es privat oder beruflich, verhindern. Um wieder frei handeln zu können, sollten wir deren Herkunft herausfinden und erforschen, welchen Sinn unser Unbewusstes darin sieht, sie bis heute für uns als gültig zu sehen. Wir sollten also nicht nach dem „Warum“ fragen, sondern nach dem „Wozu“. Möglicherweise können wir dann das eine oder andere Skript modifizieren oder verabschieden. Diese Aufgabe ist allerdings nicht einfach und erfordert meist professionelle Begleitung. Wenn Sie daran interessiert sind, kontaktieren Sie mich bitte.
* Roland Scherer: „Das Innere System und sein Außen – Aufstellungsarbeit mit Inneren Anteilen, äußeren Elementen und Systemgrenzen.“ BoD-Verlag 2020