Über Maskengegner und Covid-19-Leugner
Ist das wirklich so, dass die im Titel genannten Verschwörungsmythenverbreiter zu dumm sind, um zu erkennen, dass in anderen Ländern die Pandemie viele Tote fordert, in einigen aber weniger, da dort die Maßnahmen dagegen rechtzeitig getroffen wurden, so dass weniger Leute gestorben sind?
Ich behaupte nicht. Natürlich gibt es einige dumme Mitläufer, aber die Masse erkennt das nur zu gut. Und sie haben Angst. Und jedes Mal, wenn sie eine Maske aufsetzen müssen oder jemanden mit einer Maske sehen, werden sie daran erinnert, dass sie an der Krankheit sterben könnten. Sie wollen dieses Wissen unbedingt verdrängen, und das geht nur in einer maskenfreien Gesellschaft. Deshalb werden sie auch so aggressiv, wenn sie eine Maske sehen. Sie könnten ansonsten sagen: „OK, Du trägst eine Maske, ich halte das für Quatsch, aber jedem Tierchen sein Pläsierchen.“ So reagieren sie leider nicht.
Es wäre ihnen auch unangenehm, zuzugeben, dass sie Angst haben. Und was macht ein Mensch, wenn er ein Verhalten an sich beobachtet, das er nicht gut findet? Er projiziert dieses Verhalten auf Andere. Deshalb behaupten die Demonstranten, die Maskenträger hätten Angst. Dabei haben sie nicht verstanden, dass diese nicht aus Angst Masken tragen, sondern aus Respekt vor anderen – sie wollen niemanden anstecken. Sie tragen sie aus Respekt vor der Ansteckungsgefahr anderer, und gerade nicht aus panischer Angst, sondern weil es vernünftig ist.
Ich weiß zum Beispiel, dass Autofahren gefährlich ist. Aber ich habe keine Angst davor, sondern Respekt vor den Gefahren, die mich nicht daran hindert, weiter Auto zu fahren. Ich schütze mich, indem ich zum Beispiel nicht mit 100 km/h in eine Kurve gehe, die nur 50 km/h verträgt und indem ich einen Sicherheitsgurt trage. Erinnern Sie sich noch an die Proteste gegen den Sicherheitsgurt? Er würde sie im Auto fesseln, wenn es anfängt zu brennen und ähnlichen Quatsch? Auch das war Angst, die Angst, daran erinnert zu werden, dass Autofahren gefährlich ist. Diese ist aber heute – und da bin ich froh drüber – der Einsicht gewichen, dass ein Sicherheitsgurt weit mehr Vorteile als Nachteile bringt. Hätte es aber damals schon Social Media gegeben, ich bin sicher, wir würden uns heute noch streiten. Und es gäbe bestimmt Leute, die behaupten, Gurttragen würde Gürtelrose verursachen.
Also nützt es nichts, zu versuchen, die Maskengegner und Covid-19-Leugner mit Sachargumenten zu überzeugen. Wir müssen ihnen helfen, ihre Angst zu überwinden und in einen gesunden Respekt vor der Krankheit zu führen. Das ist nicht einfach. Denn die Angst dieser Leute ist wohl eine grundsätzliche Angst vor dem Tod. Mit dieser Angst muss jeder Mensch leben, denn jeder ist sterblich. Diese Tatsache zu akzeptieren, ist die Lebensaufgabe eines Jeden. Leider wird das uns in unserer Gesellschaft nicht einfach gemacht: Wer sieht schon einmal einen Toten? Selbst tote Familienangehörige werden heute nicht mehr angeschaut, es gibt keine Totenwache mehr. Und Kinder werden grundsätzlich von Toten ferngehalten. Wie sollen wir da lernen, mit dem Tod umzugehen?
Und so gibt es viele Zeitgenossen, die ihre Sterblichkeit verdrängen, die dem Tod nicht mit Respekt begegnen, sondern mit panischer Angst. Ich will nicht behaupten, dass der Gedanke an den eigenen Tod angenehm sei, aber wir müssen nun einmal damit leben. „Na klar“, werden Sie jetzt sagen, „Du hast es einfach, Du bist fast 70! Da akzeptiert man den Tod.“ Wirklich? Schauen Sie sich die Demos an, da sind jede Menge ältere Leute dabei. Und außerdem, auch junge Menschen können sterben – Unfall, Krebs, Selbstmord – auch aus Angst vor dem Tod. All das ist möglich. Also sollten sich auch junge Menschen mit ihrer Endlichkeit beschäftigen.
Vielleicht sollten wir den Verschwörungsmythologen wirklich sagen: „Ja, ich akzeptiere, dass Du Angst hast. Und ich fühle mich mit der Gefahr durch Covid-19 auch nicht wirklich wohl. Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir damit umgehen. Aber bitte ohne auf die zu hören, die alte Fotos von Hautkrankheiten veröffentlichen und behaupten, das sei die Folge von Masken. Chirurgen und OP-Schwestern haben ja schließlich auch keinen Ausschlag um den Mund, und die tragen die Masken fast den ganzen Tag. Lass uns versuchen, sachlich zu bleiben. Und sei versichert, ich fühle mit Dir und Deiner Angst, denn auch mir ist sie nicht unbekannt.“
Das aufgeregte Hin- und Her-Geschreie in den Social Media bringt auf jeden Fall nichts. Massenveranstaltungen bringen noch weniger – das schlägt dann die Herdendummheit zu, die den Gurus und Vorbetern auf dem Podium folgen, die Schwarmintelligenz hat keine Chance. Nur 1:1-Gespräche können hier weiterführen, das weiß ich aus meiner Erfahrung als psychologischer Begleiter. Versuchen wir, uns gegenseitig zuzuhören, und lassen wir unsere Gespräche nicht durch Wut und Angst beherrschen. Horchen wir in uns hinein, um unsere eigentlichen Motive zu erkennen. Und fragen wir uns, was die eigentliche Ursache unserer Wut und unserer Angst ist