Was sind Projektionen?
In der Psychologie redet man dann von einer Projektion, wenn jemand eigene Gedanken, Handlungen und Gefühle einem oder etwas Anderem zuschreibt. Dabei kann das Andere ein Mensch, ein Tier oder eine Pflanze, aber auch ein System, also eine Nation, eine Gruppierung oder eine Firma sein, ja sogar etwas nur in der eigenen Vorstellung existierendes wie eine Phantasiegestalt oder ein Gott.
Warum projizieren wir denn eigentlich?
Projektionen sind insofern praktisch, als sie uns von eigenen, als ungewollt und schlecht oder böse empfundenen Gedanken, Handlungen und Gefühlen ablenken und somit ein schlechtes Gewissen zumindest verringern beziehungsweise ganz zum Verschwinden bringen. Wenn ich mich zum Beispiel als aufbrausend empfinde und diese Eigenschaft aber ablehne, werde ich bei anderen Menschen schnell aufbrausende Charakterzüge sehen. Das lenkt vom eigenen cholerischen Verhalten ab, denn der Andere ist ja derjenige, der „an die Decke geht“. So entlaste ich mich und brauche nicht an meinem eigenen Verhalten zu arbeiten.
Leider unterstellen wir auf diese Art und Weise Anderen ein Verhalten, das sie gar nicht oder nur in absolut tolerablen Maße zeigen. Das kann für diesen durchaus gefährlich werden. Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist das Verhalten gegen sogenannte Ketzer. Wenn ich selbst insgeheim Zweifel an der Unerschütterlichkeit meines Glaubens habe, suche ich jemanden, der diesen Zweifel auch hat. Wenn ich diesen dann auf dem Scheiterhaufen verbrenne, verbrenne ich damit auch meine eigenen Zweifel, die ich auf ihn projiziert habe. Das ist sicherlich ein extremes Beispiel, aber ich erinnere an das Mobbing, dem ähnliche Strukturen zugrunde liegen. Man schließt damit jemanden aus der Gruppe aus, der angeblich Eigenschaften hat, die man an sich selbst nicht mag. Andere machen dankbar mit, weil sie so in dem Gemobbten eine geeignete Projektionsfläche für eigene Eigenschaften finden. Und so wird aus einem ganz normalen Mitarbeiter ein Mensch mit angeblich lauter schlechten Eigenschaften und einem erfundenen unmöglichen Charakter.
Kinder projizieren ständig
Da Kinder von einer für sie verwirrenden, unbekannten und unverständlichen Welt umgeben sind, finden sie ihr seelisches Gleichgewicht durch Projektionen. Sie projizieren zum Beispiel ihre Angst auf ein zu diesem Zweck erfundenes Ungeheuer oder auf einen Schwarzen Mann. Somit hat die diffuse Angst ein ganz konkretes Ziel, denn vor einem Ungeheuer hat man ja wohl zu Recht Angst. Und wenn das Kind seine Puppe für eigenes Fehlverhalten bestraft, entlastet das das schlechte Gewissen.
Kinder können durch Projektionen auf eigene Träume Schuldgefühle ausleben und das ist durchaus hilfreich und keineswegs schlecht. Allerdings werden sie oft von Erwachsenen unsanft aus ihrer Phantasiewelt geholt: „Du Träumer! Tu endlich etwas!“ So wird ihnen das Tor zu einer hilfreichen Ressource verschlossen – aus Gedankenlosigkeit oder aus Neid.
Auch Erwachsene projizieren
Toxisch wird das dann, wenn ein Elternteil seine Kinder für Verhalten rügt oder gar bestraft, die er selbst an sich oder seinem Partner nicht mag und das er an den Kindern zu sehen glaubt. Ein besonders übles Beispiel sind Kinder, denen vorgeworfen wird: „Du bist schon wie Dein Vater / Deine Mutter!“ Kinder wissen dann nicht, was ihnen eigentlich vorgeworfen wird, denn die Anschuldigung ist ja nicht konkret. Sie wissen nicht, was sie an ihrem Verhalten ändern sollen und fühlen sich insgesamt abgelehnt. Kein Wunder, wenn sie dann bockig werden!
Aber das hört keineswegs auf, wenn die „Projektionsfläche“ erwachsen geworden sind. So gibt es toxische Chefs – männliche und weibliche -, die von einem eigenen Fehlverhalten ablenken, indem sie es auf einen geeigneten Mitarbeiter projizieren. Erweist sich dieser Mitarbeiter als geeignete Projektionsfläche, indem er sich nicht oder ungeschickt wehrt, kommt es leicht dazu, dass er in Zukunft Opfer von Bossing-Verhalten wird. Die anderen Mitarbeiter merken schnell, dass er in der Gunst des Chefs ganz unten steht – er wird dann auch von ihnen gemobbt. Das passiert möglicherweise noch nicht einmal bewusst, aber die Folge ist, dass das Leben dieses Mitarbeiters zur Hölle wird.
Sogar ganze Kulturen projizieren
Eigene Versäumnisse schreibt man gern anderen Völkern oder Gruppen zu. Das wird dann ein Vorurteil genannt, ist aber bei genauerem Hinsehen eine Projektion. Wenn zum Beispiel eine Gruppe, die auf Sauberkeit und Genauigkeit getrimmt ist, einer anderen Schlampigkeit vorwirft, geschieht das vor allem, weil sie Angst vor der eigenen, durchaus vorhandenen, aber heftig geleugneten und mühsam bekämpften Schlampigkeit hat. Das kann schlimme Folgen haben, Kriege und Genozide sind dadurch ausgelöst worden. Beispiele dafür sind die deutsch-französischen und die deutsch-italienischen Kriege und die Genozide an Juden, sog. „Zigeunern“ (nicht nur durch Deutsche) und der Urbevölkerung Amerikas und Australiens.
Auch die Angst vor Bestrafung wird projiziert. Hat man unbewusst Angst, dass einem ein Fehler unterlaufen könnte, wird man härteres Vorgehen und strengere Gesetze für Fehlverhalten fordern. Es ist also kein Wunder, dass gerade solche Menschen nach „Law and Order“ rufen, die selbst Steuern hinterziehen, Kindern Gewalt antun oder andere, in ihren Augen lässliche Sünden begehen. Um selbst nicht enttarnt zu werden rufen sie unbewusst: „Haltet den Dieb!“
Fazit
Dass Kinder ihre Ängste und Wünsche projizieren, ist normal und gehört zur Kindheit dazu.
Als Erwachsene sollten wir uns allerdings unserer Projektionen bewusst werden, denn sonst können diese gefährlich werden. Denn wir sind keine Kinder mehr und so haben wir die Macht, die Welt zu verändern – leider auch zum Schlechten.
Was Peter über Paul sagt, sagt mehr aus über Peter als über Paul.