Impfgegner und Schamanen
Der Vorsitzende der Freien Wähler in Bayern fand letztens den äußerst unpassenden Vergleich: „Impfgegnerschaft hat nichts mit Schamanentum und Querdenken zu tun!“ Zum Einen: Querdenker sind Impfgegner, praktisch alle. Also haben Querdenker durchaus etwas mit Impfgegnerschaft zu tun.
Des Weiteren empfinde ich es aber als eine ziemliche Unverschämtheit und der Beweis, dass Herr Aiwanger vom schamanischen Arbeiten keine Ahnung hat, wenn dieser das in den gleichen Topf wie Querdenken wirft.
Schamanisch Tätige, sofern sie etwas taugen und keine „Plastikschamanen“ sind, versuchen mit der modernen Medizin zusammenzuarbeiten und sie zu unterstützen – auch wenn diese sie oft ablehnt. Kommt ein Klient zu einem schamanisch Tätigen, schildert sein Problem und bittet um Unterstützung, wird der ihn zuerst fragen, ob sich der Klient schon an einen Arzt beziehungsweise Therapeuten gewandt hat. Er wird jede Unterstützung ablehnen, solange der Klient das noch nicht getan hat. Schamanische Arbeit ersetzt bei Krankheit nämlich nicht den Besuch bei einem Arzt oder Therapeuten, sie unterstützt deren Tätigkeit, indem sie dem Klienten hilft, seine Selbstheilungskräfte einzusetzen und zu stärken. Nur ein Scharlatan wird behaupten, er könne einen Klienten heilen.
Erfahrene und ehrliche schamanisch Tätige werden nie behaupten, dass ihre Methoden immer und bei jedem wirksam seien und auch nicht, dass sie alleinseligmachend seien. Das – aber nicht nur das – unterscheidet sie von Gurus, Scharlatanen und Querdenkern. Auch Mediziner haben gelernt, dass ihre Methoden den Patienten nicht gesund machen, sondern dass auch ihre besten und ausgeklügelsten Methoden „nur“ die Selbstheilungskräfte wecken und unterstützen können. Weder Körper noch Geist werden geheilt, beide heilen sich im richtigen Kontext selbst.
Die Unterstützung dieser Kräfte wird auch der schamanisch Tätige anstreben, er sieht sich nicht im Widerspruch zum Arzt. Er wird auch in der Regel kein Impfgegner sein, denn er weiß, dass der Arzt beim Impfen die Abwehrkräfte weckt. Er weiß auch, dass diese vom Körper des Geimpften selbst gebildet werden müssen, dass dieser aber ohne eine entsprechende Anregung keine Veranlassung dazu hat. Impfen kann, wie jedes menschliche Tun, schief gehen, indem ein Mensch durch die Impfung krank wird oder die Abwehrkräfte nicht bildet. Bei einer ansteckenden und gefährlichen Krankheit ist allerdings die Gefahr durch das Impfen um Größenordnungen geringer als die Gefahr durch eine Ansteckung.
Der Arzt impft, und das wird der schamanisch Tätige in der Regel begrüßen. Er wird, wenn er vom Klienten darum gebeten wird, versuchen, ihn einen Weg finden zu lassen, seine Selbstheilungskräfte zu unterstützen. Er wird nicht gegen den Arzt auftreten, sondern versuchen, dessen Tun zu unterstützen. Ein guter Arzt wird diese Bemühungen schätzen, denn er weiß, dass die Stärkung der Abwehrkräfte auch ein psychosomatischer Vorgang ist.
Natürlich gibt es Scharlatane, die sich Schamanen nennen und Impfgegner sind, so wie es in meinen Augen schlechte Ärzte und Heilpraktiker gibt, die vehement gegen Impfungen kämpfen. Ich kann das weder bei den Ärzten mit ihrer wissenschaftlichen Ausbildung verstehen, noch bei den Heilpraktikern, die sich ja unter anderem auf Hahnemann berufen, der gelehrt hat, Gleiches mit Gleichem zu behandeln – und genau das tut die Impfung.
Wenn Herr Aiwanger diese Pseudoschamanen meint, bin ich voll und ganz auf seiner Seite, aber dann sollte er es bitte auch so sagen und nicht die ehrlichen schamanisch Tätigen in einen Topf mit Leuten werfen, die, um sich wichtig zu tun, mit Büffelhörnern auf dem Kopf das Capitol stürmen und zu Mord aufrufen. Ich weiß, dass es etliche Leute gibt, die sich Schamane nennen, ohne von dieser Tätigkeit viel verstanden zu haben. Es gibt aber auch Heilpraktiker, die wenig Ahnung haben und sogar studierte Ärzte, die unfähig sind und glauben, ihr Tun würde Patienten heilen. Das ist ein Problem für Klienten und Patienten, weil sie diejenigen finden müssen, die für sie richtig sind.
Noch einmal: Dem Klienten oder Patienten helfen heißt, seine Selbstheilungskräfte zu wecken und zu stärken, und genau das bewirkt eine Impfung, bei Covid 19 jetzt schon mehr als vier Milliarden mal mit guten Ergebnissen und in den allermeisten Fällen geringen Nebenwirkungen. Deshalb rate ich, gerade als schamanisch Tätiger und ganz im Gegensatz zu dem, was Herrn Aiwanger gesagt hat:
Lasst Euch impfen!