Problemorientiert versus lösungsfokussiert/-orientiert
Wenn ein Begleiter (Coach, Therapeut, …) von sich sagt, er arbeite von der Lösung her, benutzt er entweder das Wort „lösungsfokussiert“ oder „lösungsorientiert“. Wo liegt da der Unterschied, und vor allem, was bedeutet das im Gegensatz zu problemorientiertem Arbeiten?
Problemorientierung
Die Tiefenpsychologie und ihre Schulen – am bekanntesten ist wohl die Psychoanalyse von Sigmund Freud – untersucht vor allem das Problem und dessen Entstehung, in der Hoffnung, dass das Problem verschwindet, wenn der Patient dessen Ursachen kennt. Analytiker fokussieren sich also auf die Entwicklung und die Auflösung des Problems eines Patienten. Sie treten als Wissende auf, die aus den Aussagen des Patienten das Problem und seine Ursachen erkennen.
Dabei werden die Ursachen des Problems meist in der Kindheit, immer jedoch in der Vergangenheit des Patienten gesucht, durch die Verhalten im Un- oder Unterbewussten festgeschrieben wurden. Diese Suche ist meist sehr aufwändig und teuer, man rechnet mit einer mehrjährigen Behandlung mit zu Beginn wöchentlichen und später zweiwöchentlichen Terminen.
Die Kenntnis der Problemursache soll also dessen Lösung bringen. Leider hat sich aber gezeigt, dass viele Patienten der Analytiker nach der Analyse zwar die Ursachen ganz genau kennen, es aber trotzdem nicht geschafft hatten, das Problem zu lösen. Auch wird die Ursache als Ausrede für eigene Versäumnisse verstanden. Da der Patient die Ursache kennt, diese jedoch in einer scheinbar unabänderlichen Vergangenheit liegt, ist er der Meinung, keine Maßnahme seinerseits könne seine Lage verbessern. Er wartet auf eine Lösung des Analytikers.
Die Lösungssprache
Die Therapeuten Steve de Shazer, seine Frau Insoo Kim Berg und andere haben erkannt, dass die Art zu reden sich deutlich unterscheiden. Je nachdem, ob man vom Problem oder der Lösung ausgeht und dass es einfacher sein sollte, mit der Lösungssprache zu arbeiten. Ausgehend vom Systemischen Denken entwickelten sie die Therapieform der Lösungsfokussierten Kurzzeittherapie in ihre „Brief Family Therapie Center“ in Milwaukee. Eine wesentliche Voraussetzung war, dass diese Therapie für den Therapeuten weniger aufwendig sein musste, da es zu wenig Therapeuten für zu viele Klienten gab.
Das Neue bei der Vorgehensweise von der Lösung her ist, dass der Begleiter den Klienten in eine Lösungstrance (im Sinne von Milton H. Erickson) versetzt, in der er sich vorstellen kann, wie die Welt aussieht, wenn sein Problem verschwunden ist. Dabei muss das Problem nicht unbedingt gelöst sein, es sollte nur keine Rolle mehr spielen. Hat der Klient diesen Zustand erreicht, ist es einfacher, die Maßnahmen zu finden, die notwendig sind, um das Ziel zu erreichen. Man geht deshalb nicht vom Problem aus, weil man ein Problem nicht mit den selben Methoden lösen kann, durch die man in es hereingeschlittert ist.
Lösungsfokussierte Begleitungen konzentrieren sich völlig auf die Lösung, jedes Nachdenken über das Problem wird peinlichst vermieden. Lösungsorientiert heißt sie hingegen, wenn das Problem hin und wieder erwähnt werden kann, wohl wissend, dass die Lösung in der Regel nichts mit dem Problem zu tun hat. Die Übergänge sind natürlich fließend, denn auch der lösungsfokussiert vorgehende Begleiter wird dem Klienten nicht das Wort verbieten, nur weil der „Problem“ sagt. Der Therapeut Gunther Schmidt glaubt, dass hier ein kultureller Unterschied besteht und dass er deutschen Klienten die Freiheit geben muss, über die Ursache ihrer Schwierigkeiten nachzudenken, während US-Amerikaner zufrieden sind, wenn sie die Lösung kennen. Nach eigenen Angaben hat er darüber mit de Shazer des Öfteren heftig diskutiert – obwohl sogar dessen eigene Frau ihr Vorgehen Lösungsorientiert nannte.
Beide Richtungen gehen davon aus, dass die Lösung erreicht ist, wenn das Problem nicht mehr auftritt, auch wenn es nicht direkt angegangen wurde. Ein Beispiel dafür ist der zu hohe Alkoholkonsum eines Klienten. Es zeigte sich, dass dieser aufgrund einer ihm nicht bewussten Orientierungslosigkeit keinen Sinn darin sah, mit dem Trinken aufzuhören. Nachdem er aber ein Ziel in seinem Leben gefunden hatte, hörte er mit dem Trinken sozusagen automatisch auf, denn es gab etwas Wichtigeres als den Alkohol – das Erreichen seines Ziels. Der Alkoholkonsum wurde also nicht direkt angesprochen, sondern es wurde gefragt, was denn anders wäre, wenn sein – allen Beteiligten unbekanntes – Problem verschwunden wäre. Er fand heraus, dass er dann wieder ein Ziel hätte, das sich lohnen würde zu verfolgen. Dass er dadurch auch mit dem Trinken aufhören konnte, war ein zwar durchaus erwünschter, aber nicht erwarteter Nebeneffekt.
Ein anderes Beispiel ist das Nägelkauen einer Klientin, das aufhörte, nachdem Ereignisse aus der Kindheit erkannt und bearbeitet wurden. Alle hatten nicht ursächlich etwas mit dieser Angewohnheit zu tun, das Problem „Nägelkauen“war also verschwunden, obwohl es nicht bearbeitet worden war.
Fazit
Lösungsfokussiertes und –orientiertes Vorgehen ist meiner Meinung nach erfolgversprechender als problemorientiertes (siehe auch hier). Die Methode ist eigentlich ganz logisch, unterscheidet allerdings deutlich von unserer alltäglichen Vorgehensweise. Sie muss deshalb intensiv gelernt und geübt werden. Bitte kontaktieren Sie mich, wenn Sie vermuten, dass diese Methode auch Ihnen helfen kann. Die ersten 30 Minuten unseres Gesprächs sind die Zeit, die wir uns zum Kennenlernen nehmen und sind für Sie kostenfrei.