Systemisch: was bedeutet das eigentlich? (II)
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Was macht das System?
Ein System versucht sich immer möglichst unverändert selbst zu erhalten. Demgegenüber zielen die Interventionen eines Coachs darauf ab, die eingefahrenen Wege des Systems zu stören. Die Interventionen haben also nicht die Änderung von Menschen zum Ziel, sondern die Änderung ihrer Interaktionen. Ein wichtiges Werkzeug ist dabei die „zirkuläre Frage“, die Informationen über diese Interaktionen zutage bringen (nicht: “Wie fühlst Du Dich?“, sondern: „Was glaubst Du, wie Dein Partner denkt, dass Du Dich fühlst?“).
Bei der Systemischen Behandlung geht es darum, die Ressourcen und Kompetenzen der Elemente eines Systems zu stärken. Das Vorgehen ist also lösungsorientiert, die klassische Beratung fragt dagegen nach den Schwächen und Problemen der Mitglieder des Systems. Systemisch wird davon ausgegangen, dass die Experten für ein System dessen Mitglieder sind, der Coach erkennt die Regelkreise, weiß aber nichts über die Probleme und ihre Lösungen.
Systemisches Vorgehen
Für den Coach ist systemisches Vorgehen kein Werkzeug, sondern eine Haltung. Man kann es nicht einfach erlernen, sondern muss dazu seine Denkstruktur ändern, denn im Eifer des Gefechts wird man nur dann die Grundsätze befolgen können, wenn man sie verinnerlicht hat. Einige der Grundsätze sind:
- Es ist, wie es ist! Was ist, darf sein, und was sein darf, darf sich auch ändern.
Der Gedanke, der hier dahinter steht, ist, dass sich nur das ändern kann, was auch gesehen wird und gesehen werden darf. Der Satz: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ ist das genaue Gegenteil dazu. - Der Coach geht wertschätzend vor und bietet Hilfe zur Selbsthilfe an, indem er die Entwicklungsfähigkeit der Klienten stärkt. Er aktiviert die Selbstheilungskräfte des Systems. Er tritt wie ein Gärtner auf: er gräbt um, jätet, säht, aber wachsen muss der Klient selber, denn eine Pflanze wächst ja auch nicht schneller, weil man an ihr zieht.
- Es gilt das holistische Prinzip: alle hängt mit allem zusammen. Jedes Element eines Systems hat Einfluss auf das Gesamtsystem.
- Konflikte sind Entwicklungschancen, Widerstand bringt Energie und Unterschiede sind Reichtum. Das scheinen Widersprüche zu sein, aber ohne Konflikte gibt es keine Veränderungen, ein Klient, der dem Coach nicht widerspricht, hat den Kampf um einen besseren Weg schon aufgegeben und ohne Unterschiede sind wir hilflos gegenüber den Veränderungen der Randbedingungen.
- Wenn man die Verhältnisse nicht ändern kann, muss man die Sicht auf die Dinge ändern, man muss ihnen einen neuen Rahmen geben (Refraiming). Aber mentale Änderungen brauchen Zeit.
- Wir suchen nach dem Verhalten, das den Erfolg bringt und nach unseren Ressourcen. Wir suchen nicht nach Fehlern und Schwächen. Dabei machen wir dem Klienten Blockaden bewusst.
- Niemand sieht die Welt objektiv, jeder schaut durch seine Brille und sieht etwas anderes aus einem anderen Blickwinkel. Deshalb gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, kein „gut“ oder „böse“, sondern nur angemessenes und nicht angemessenes Verhalten. (Dieses Weltbild heißt konstruktivistisch) Auch der scheinbar Schuldige ist nur der Symptomträger, an Fehlern oder am Scheitern sind alle Mitglieder des Systems beteiligt.
Das ganze Thema ist nicht einfach zu verstehen, bei Fragen dürfen Sie sich gerne an mich wenden.