Personal Coaching mit einem Klienten
Wie kann ein Personal Coaching mit einem Klienten aussehen?
Wenn ein neuer Klient zu mir kommt, stellt er mir immer die Frage, wie eine Begleitung bzw. ein Coaching aussieht, denn er möchte wissen, was auf ihn zukommt. Leider kann ich darauf keine allgemeingültige Antwort geben, denn jede Begleitung ist anders.
Im Rahmen meiner Prüfung zum psychologischen Berater habe ich eine Facharbeit erstellt, in der die Begleitung einer fiktiven Klientin ausführlich dargestellt wurde. Dabei sind meine Erfahrungen mit realen Klienten eingeflossen, aber von mir so verändert worden, dass sie nicht wiedererkannt werden können. Ich werde nun in einer Reihe von Blog-Beiträgen Ausschnitte aus der Facharbeit veröffentlichen, um Ihnen eine Vorstellung zu geben, wie eine Begleitung ablaufen kann. Die Beiträge werden alle 14 Tage erscheinen. In diesem ersten Beitrag werde ich Ihnen die Klientin und ihr Problem vorstellen.
Zum Schluss werde ich die Blogbeiträge zu einem Dokument zusammenfassen und im Netz zur Verfügung stellen; so können Sie dann alles „am Stück“ lesen.
Vorbemerkungen
Da es keinen offiziellen übergreifenden Begriff für den psychologischen Berater / Coach gibt, nenne ich ihn in dieser Facharbeit „Begleiter“. Diese Bezeichnung passt meines Erachtens am besten zu meiner Tätigkeit, vor allem, da ich es ablehne, Klienten Ratschläge zu geben. Denn wie Varga von Kibèd sagt: „Wer einen Rat gibt, vermittelt gleichzeitig, dass der Andere nicht in der Lage ist, selbst zu handeln. Er sieht ihn in der Position der Schwäche.“ Ich bin der Überzeugung, dass der Klient die Lösung seines Problemes grundsätzlich kennt, sie aber vergessen hat.
Meine Kunden nenne ich „Klienten“.
Den Ausdruck „Klient“ oder „Begleiter“ nutze ich in der männlichen Form, wenn er nicht auf einen speziellen Fall bezogen ist. Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass das eine Verkürzung ist, möchte aber damit schwerfällige grammatikalische Konstrukte vermeiden.
Zitate schließe ich in Anführungszeichen ein und setze sie kursiv. Bei Dialogen setzte ich vor den jeweiligen Beitrag die Abkürzung B: für Begleiter oder K: für Klient. Anführungszeichen lasse ich in diesem Fall weg. Wie bei Zitaten werden die Beiträge kursiv gesetzt, so dass man sie leicht von normal gesetzten Anmerkungen unterscheiden kann. Weiterhin lasse ich bei diesen Dialogen das sogenannte „soziale Grunzen“ weg („Aha!“, „Ach so.“, …), das zum aktiven Zuhören gehört. In vielen Fällen habe ich den Dialog auf das Wesentliche gekürzt.
Vorstellung der Klientin
Die Klientin „Vera M.“ ist 42 Jahre alt, selbstständig und hat eine Tochter aus erster Ehe. Der Ehemann durch einen Unfall verstorben, als die Klientin im dritten Monat schwanger war.
2 Jahre nach dem Tod ihres ersten Mannes ging sie eine neue Lebensgemeinschaft mit „Gerd“ ein. Der neue Lebensgefährte arbeitete im Angestelltenverhältnis in ihrem Betrieb mit. Nach 17-jähriger Lebensgemeinschaft wurde sie von ihrem Lebensgefährten wegen einer anderen Frau verlassen. Im Betrieb arbeitete er sporadisch weiter mit. Nach ca. 8 Monaten kehrte der Lebensgefährte wieder zur Klientin zurück. Nach 4 Monaten hatte er wieder, diesmal mit einer anderen Frau, eine kurze Affäre. Nun hat die Klientin endgültig einen Schlussstrich gezogen. Auch will sie ihn jetzt definitiv nicht mehr in der Firma haben. Jetzt aber will der Mann doch nicht von ihr lassen.
Sie fühlt sich immer elend und schuldig, wenn sie ihn immer wieder abweist. Sie hat Mitleid mit ihm, will aber definitiv nicht wieder mit ihm zusammen sein.
Situationsanalyse
Die Klientin ist durchaus lebenstüchtig, sie hat eine Firma mit Angestellten viele Jahre erfolgreich geführt und „nebenher“ als Alleinerziehende eine Tochter großgezogen. Sie macht den Eindruck einer Frau, die im Leben steht und in der Lage ist, Schwierigkeiten zu meistern.
Umso erstaunlicher ist, dass sie sich punktuell bei dem Problem mit ihrem Lebensgefährten nicht durchsetzen kann. Obwohl er sie mehrfach betrogen hat und sie fest entschlossen ist, sich von ihm zu trennen, kann sie diesen Schritt nicht vollziehen. Sie redet davon, dass sie sich bei einer Trennung „elend und schuldig“ fühlt, und dass sie ein „unglaubliches Mitleid“ mit ihm habe. Der Lebensgefährte hat solche Skrupel ihr gegenüber nicht gezeigt.
Bei der Bewertung dieses Verhaltens muss man den tragischen Tod ihres Ehemannes ins Kalkül ziehen. Es muss auf jeden Fall geprüft werden, ob sie sich von diesem Toten bereits innerlich getrennt hat und ob eine Übertragung vorliegt. Allerdings weist ihr schlechtes Gewissen, das sie bei der durchaus sachlich verständlichen Trennung von ihrem Lebensgefährten hat, auch auf einen möglicherweise vorliegenden (früh)kindlichen Einfluss hin. Das Auftreten von entsprechenden Glaubenssätzen oder Antreibern in der Herkunftsfamilie muss also im Auge behalten werden.
Der Auftrag
Die Klientin hat sich bei mir telefonisch angemeldet. Im ersten Termin haben wir die Formalitäten abgeklärt und danach eine Anamnese erstellt.
Der Beratungsauftrag ergibt sich aus der Anamnese:
Die Klientin möchte ihren langjährigen Lebenspartner Gerd aus ihrem Leben und auch aus ihrer Firma hinauswerfen, ohne sich elend und schuldig zu fühlen und ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu haben. Wir fassen das in einem griffigen Satz zusammen:
„Ich trenne mich von Gerd, entschlossen und ohne Bedauern.“
Ich habe weiterhin die Vermutung, dass auf Seiten der Klientin eine unbewusste Verwechslung zwischen ihrem Partner und ihrem Vater stattfindet. Anders ist meines Erachtens das Mitleid mit Ihrem Partner kaum zu verstehen. Sie hat das Gefühl, ihn im Stich zu lassen, wie sie Ihren Vater bei seinem Tod allein gelassen hat.
Den Aufbau eines besseren Verhältnisses zu ihren Mitarbeitern wurde als sekundäres Ziel definiert, was vielleicht in einer späteren Begleitung angegangen werden kann. Ich halte es allerdings für möglich, dass allein durch die Steigerung des Selbstvertrauen, die mit der Erreichung des primären Ziels einhergeht, die Klientin dem zweiten Ziel näher kommt.
Beide, sowohl die Klientin als auch ich, sind zu dem Schluss gekommen, dass eine weitere Zusammenarbeit sinnvoll ist. So haben wir den nächsten Termin vereinbart.
„Hausaufgaben“ bei der Begleitung
Es ist in einigen Fällen sinnvoll, dass der Klient sich zwischen den Terminen weiter mit den behandelten Fragestellungen beschäftigt oder sich auf den nächsten Termin gedanklich vorbereitet. Deshalb bekommt er vom Begleiter „Hausaufgaben“.
„Hausaufgaben“ ist ein Begriff, den (fast) jeder mit Schule, Pflicht und Zwang und vermutlich unangenehmen Erinnerungen verbindet. Deshalb vermeide ich dieses Wort gegenüber dem Klienten; ich spreche ihm gegenüber einem Vorschlag de Shazers folgend gerne von „Experimenten“.
Wichtig ist, gegenüber dem Klienten nie den Eindruck entstehen zu lassen, die Hausaufgaben seien zwingend notwendig zur Erreichung seiner Ziele. Zum einen dürfen sie nur in Absprache mit dem Klienten gegeben werden, man muss sie also vereinbaren und nicht einfordern. Zum anderen ist es dem Klienten unter Umständen nicht möglich, die Hausaufgaben zu machen, weil er dazu dann doch noch nicht bereit ist. Es ist wie bei einer Frage, bei der man auch erst dann weiß, was man gefragt hat, wenn man die Antwort hört: Man weiß erst, welche Aufgabe man gestellt und welchen Umfang sie hat, wenn man die vom Klienten erstellte Lösung erfährt.
Der Begleiter darf also nicht enttäuscht sein, wenn der Klient die Hausaufgabe nicht oder nicht vollständig „gemacht“ hat. Auch hier liegt der Widerstand des Klienten im Irrtum des Begleiters begründet. Offensichtlich war dann die Aufgabe zu schwer oder nicht passend zur Situation des Klienten (Drab 2014). Es ist auch zu beachten, in welcher Situation sich der Klient befindet:
- Besucher
Der Klient in diesem Status kann sein Ziel noch nicht konkret benennen oder hat es noch nicht benannt. Es dürfen keine Aufgaben gestellt werden, höchstens die Aufgabe, die typisch ist für das (telefonische) Vorgespräch: „Was ist gut?“ – „Was kann so bleiben?“
- Klagender
Ein klagender Klient hat noch keine Möglichkeit gefunden, die problembehaftete Situation selbst zu beeinflussen und denkt von daher, die Lösung sei von seiner Umwelt abhängig. Typische Aufgaben sind hier Beobachtungsaufgaben: „Beobachte, wann Du zufrieden bist.“ – „Achte darauf, wann sich Dein Partner so verhält, wie Du es Dir wünschst.“ – „Schätze morgens ein, wie oft das Symptom an diesem Tag eintritt und vergleiche Deine Schätzung am Abend mit der beobachteten Eintrittshäufigkeit.“
- Kunde
Ein Klient in dieser Situation ist in der Lage, Handlungen zu benennen, die ihn seinem Ziel näher bringen. Ihm kann man Handlungsaufträge geben in der Form: „Tue mehr davon, was gut läuft.“ – „Tue etwas anderes, anstelle dessen, was schief läuft.“ – „Tue so, als ob die Lösung schon eingetreten sei und beobachte die Wirkung.“ (Bei Paaren wechselseitig verdeckt.)
Der Begleiter muss sich stets bewusst sein, dass kleine Änderungen im Verhalten oder Denken des Klienten große Wirkungen erzielen können. Es ist von daher nicht sinnvoll, ungeduldig zu sein. Auch ist es kontraproduktiv, zu viel zu fordern, denn das lässt den Klienten erneut einen Misserfolg erleben und bringt ihn weiter von seiner Hoffnung auf seine Lösung weg. Kleine Erfolge sind besser als ein großer Misserfolg. Gleichzeitig sollte die Aufgabe trotzdem ausreichend herausfordernd sein, denn sie soll den Klienten ja weiterbringen. Das ist ein Widerspruch, den der Begleiter nur mit viel Fingerspitzengefühl auflösen kann.
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