Durchführung des Lösungsfokussierten Gesprächs
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Zweiter Termin: Das lösungsfokussierte Gespräch
Nach der Begrüßung und der Aufmerksamkeitsübung fragte ich sie, zu welchem Ergebnis sie gekommen sei, was denn so bleiben dürfe.
K: Also, so bleiben kann meine Firma, das läuft nicht schlecht.
B: Nicht schlecht oder richtig gut?
K: Eher richtig gut. Was noch bleiben soll, ist das Verhältnis zu meiner Tochter. Wir haben oft unterschiedliche Meinungen, aber wir verstehen uns trotzdem.
B: Prima, das sind zwei wichtige Bereiche. Und in welchen Punkten sind Sie mit sich selber zufrieden?
K: Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Mir ist nichts eingefallen.
B: Was würde denn Ihre Tochter sagen, was sie an Ihnen besonders schätzt und was sich auf keinen Fall ändern soll?
K: Sie würde wahrscheinlich sagen, dass sie mag, dass ich mit beiden Beinen im Leben stehe.
B: Und, würden Sie ihr zustimmen?
K: Ich glaube schon.
Hier ist es für den Begleiter nicht wichtig zu wissen, was die Klientin mit ihrer Aussage meint. Wichtig ist, dass die Klientin das selbst weiß. Hat der Begleiter den Eindruck, dass das so ist, sind weitere Fragen zu dem Ausdruck „mit beiden Beinen im Leben stehen“ überflüssig.
B: Schön! Wenn Sie nachher nach Hause gehen, was müsste passieren, damit Sie sagen: „Der Termin mit dem Scherer hat sich wirklich gelohnt!“
K: Wenn ich wüsste, dass ich das Gespräch mit Gerd führen kann.
B: Und was noch?
K: Das würde mir erst mal reichen.
Nachdem somit der Auftrag noch einmal bestätigt wurde, kann jetzt damit begonnen werden, herauszufinden, für wie realistisch die Klientin das Ziel hält.
B: Auf einer Skala von Eins bis Zehn, wobei Eins bedeutet, es ist völlig unrealistisch, dass Sie das Gespräch erfolgreich führen können, und Zehn, das ist absolut realistisch, kein Problem: Wo stehen Sie heute?
K: Bei Vier, vielleicht Fünf.
B: Also schon recht weit! Wo standen Sie denn, bevor Sie mich angerufen haben?
K: Bei Zwei.
B: Das ist wirklich ein Fortschritt! Was hat Ihnen geholfen, von einer Zwei auf eine Vier bis Fünf zu kommen?
Nach einigen Nachfragen („…und was noch?“) wurde klar, dass die Klientin viel über sich selbst nachgedacht hatte – dafür hatte sie sich früher nie die Zeit genommen – und dass deshalb ihre Zuversicht gewachsen war. Auf die Frage, welche der Dinge, die ihr klar geworden seien, besonders hilfreich seien, meinte sie, dass es ihr geholfen hätte, sich den Spruch ihrer Mutter („Eine Frau bleibt bei ihrem Mann“) bewusst zu machen.
Nun konnte nach Ressourcen für die anstehende Aufgabe gesucht werden. Dabei erinnerte sich die Klientin an andere Situationen, in denen sie ähnlich schwierige Gespräche erfolgreich geführt hatte und wie sie das geschafft hatte.
Schließlich stellte ich die Wunderfrage (siehe S. 20f) Die Klientin antwortete auf:
B: … woran merken Sie, dass das Wunder geschehen ist?
K: Ich fühle mich sicher, ich habe keine Angst mehr vor dem Gespräch mit Gerd.
B: Was ist stattdessen?
K: Leichtigkeit und Mut und neue Energie.
Das Wunder könnte für die Klientin sein, dass sie zuversichtlich ist, das Gespräch erfolgreich zu führen, oder dass sie das Gespräch schon erfolgreich geführt hat, oder etwas ganz anderes. Ich weiß es an dieser Stelle nicht, das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Klientin es weiß.
Auf die Frage, wer das Wunder noch bemerken würde, nannte die Klientin ihre Tochter, die eine gewisse Ausgeglichenheit an ihr feststellen würde und ihre Mitarbeiter, für die sie zugänglicher sei. Früher hätte ihre Tante das Wunder auch bemerkt, aber heute sei sie zu vergesslich.
B: Freuen Sie sich über den Zuspruch dieser Menschen, ist er ihnen wichtig?
K: Ja, er bestärkt mich in meinem Entschluss.
B: Wer ist mit der Veränderung nicht einverstanden? Es dürfen auch tote Personen sein, oder solche, mit denen Sie nicht mehr in Kontakt sind.
K: Meine Mutter.
B: Und jetzt, wo das Wunder geschehen ist, wie gehen Sie da mit dem Einwand ihrer Mutter um?
K: Er interessiert mich nicht mehr, denn ich darf ja machen was ich will.
B: Und wer ist mit der Veränderung noch nicht einverstanden?
K: Ich bin verwundert, aber wenn ich darüber nachdenke, ist auch mein Vater nicht einverstanden.
B: Was sagt er dazu?
K: In die Firma gehört ein Mann!
B: Kann er das denn noch entscheiden?
K: Eigentlich nicht, aber er beeinflusst meine geschäftlichen Entscheidungen manchmal immer noch.
B: Er hat also die Firma noch nicht verlassen?
K: Nicht wirklich.
B: Und was ist mit Ihrem verstorbenen Mann, was sagt der?
K: Das weiß ich nicht, das ist schon so lange her, wir haben uns geliebt, aber es ist vorbei. Ich kann mir aber nicht denken, dass er etwas dagegen hat.
Es fällt also auf, dass sich die Klientin immer noch von Ihrem verstorbenen Vater beeinflusst wird, sie hat ihn noch nicht wirklich verabschiedet. Mit Ihrem verstorbenen Mann dagegen ist sie im Reinen. Der Glaubenssatz Ihrer Mutter, dass eine Frau bei ihrem Mann bleibe, hat noch einen großen Einfluss. An beiden Punkten muss die Klientin also noch arbeiten, um ihrem Lebensgefährten sicher gegenübertreten zu können.
Nach einigen weiteren Fragen, deren Antworten uns in diesem Problemkreis nichts Neues gebracht haben, kam ich zum Schluss:
B: Frau M., ich muss sagen, dass Sie ihr Leben bisher trotz aller Widrigkeiten und Kämpfe gut gemeistert haben.
K: Danke, ja, ich glaube das stimmt.
B: Habe ich noch etwas vergessen zu fragen?
K: Nein, ich glaube, es ist alles gesagt.
Ich gab ihr als Hausaufgabe, sie solle sich überlegen, welche Entscheidungen ihr Vater noch beeinflusst hatte, im Guten wie im Schlechten. Danach beendeten wir den Termin. (Das lösungsfokussierte Gespräch wurde verkürzt wiedergegeben.)
Der nächste Beitrag, die Erklärung zur systemischen Einzelaufstellung, folgt am 10.01.2016