Erklärung zur Trauerarbeit
Zum vorherigen Beitrag (Die Durchführung der systemischen Einzelaufstellung)
Vierter Termin: Die Trauerarbeit
Trauer, vor allem Trauer um einen Verstorbenen, wird nach Verena Kast in vier Phasen unterteilt:
- Erste Phase
Nicht-Wahrhaben-Wollen: Der Trauernde fühlt sich empfindungslos, wie in einem bösen Traum, „Es kann nicht sein“ - Zweite Phase
Aufbrechende Emotionen: Wut, Zorn, Angst, Trauer und andere Emotionen werden gleichzeitig und wild durcheinander erlebt. Der Trauernde sucht nach einem Schuldigen. Fühlt er sich selbst schuldig, kann das bewirken, dass er in diese Phase stehenbleibt. Da Emotionen gesellschaftlich verpönt sind, ist es schwierig, diese Phase zu bewältigen. Das muss aber passieren, um die nächste Phase zu erreichen. - Dritte Phase
Suchen, finden, sich trennen: Der Trauernde sucht Orte und Situationen, in denen er mit dem Verstorbenen gemeinsam war. Er muss immer wieder lernen, dass der Verstorbene nicht mehr da ist. Bleibt der Trauernde in dieser Phase stehen, kann er dem Verstorbenen eine Art Pseudoleben geben: Es darf sich nichts ändern, das Zimmer des Verstorbenen muss so bleiben, wie es war. - Vierte Phase
Neuer Selbst- und Weltbezug: Der Trauernde kommt in sein Leben zurück, er kann neue Beziehungen eingehen und weiß, dass der Verlust ertragen werden kann.
Bei der Trauerarbeit muss geprüft werden, in welcher Phase der Klient ist und ob noch Schuldgefühle gegenüber dem Toten bestehen. In unserem Fall sind seit dem Tod des geliebten Menschen einige Jahre verstrichen und es gibt kein Anzeichen dafür, dass die Klientin noch in den ersten drei Phasen feststeckt. Trotzdem können noch Schuldgefühle auftreten.
Deshalb wähle ich hier als Form der Trauerarbeit „die Treppe“. Während man Trauer über Trennung durchaus skulpturartig stellen kann, kann und darf Trauerarbeit für Tote nur hypnosystemisch durchgeführt werden, denn der Trauernde kann den Toten nicht repräsentieren.
Bei der Treppe wird der Klient zuerst in eine leichte Trance geführt. Er reist dann in eine angenehme Landschaft mit Wiesen, Bäumen und einem Fluss. Schließlich findet er eine Treppe, die vom Himmel bis auf die Erde führt. Auf dieser kommt der Tote nach unten.
Wichtig ist, dass weder der Klient die Treppe betritt, noch der Tote die Treppe verlässt, denn die Landschaft gehört den Lebenden, die Treppe gehört zur Welt der Toten.
Nun sagen sich der Klient und der betrauerte Tote alles Positive, was sie voneinander erhalten haben und bedanken sich wechselseitig dafür.
Als nächsten Schritt können sie sich gegenseitig Verletzungen, die der andere ihnen zugefügt hat, ohne Vorwürfe mitteilen und verzeihen.
Der „seelische Müll“ wurde also aufgedeckt und kann nun beseitigt werden. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man kann ihn z.B. in einen Sack packen und in den Fluss werfen, sodass er davontreibt, oder ihn an einen Luftballon binden, der ihn über den Horizont trägt (nicht in den Himmel, das ist hier der Bereich der Toten!).
Schließlich lässt man dem Klienten und dem Toten genügend Zeit, sich voneinander zu verabschieden. Der Tote beginnt danach, die Treppe hinaufzusteigen, der Klient wendet sich um und verlässt die Treppe, ohne sich umzuschauen. Er geht weiter, bis er das Gefühl hat, zu Hause zu sein, dann wird eine Tranceausleitung durchgeführt.
Der nächste Beitrag, die Durchführung der Trauerarbeit, folgt am 24.02.2016