„Nebenwirkungen“ beim Coaching
Coaching ist eine Dienstleistung, aber sie lässt sich nicht so einfach messen wie z.B. die Inspektion bei Ihrem Auto. Bei der ist völlig klar, was getan werden muss und was das Ziel ist: die Werkstatt muss Öl wechseln, die Bremsen prüfen und noch einige andere, im Werkstattbuch beschriebene Arbeiten durchführen. Wenn das gemacht ist, ist die Inspektion fertig und das Auto läuft wieder rund.
Coaching dagegen lässt sich nicht so einfach beschreiben. „Neues Öl rein und dann läuft’s wieder!“ funktioniert bei Menschen nicht, denn Menschen lassen sich nicht linear-kausal beeinflussen, durch keine Methode. Es kann passieren, dass ein Klient zu einem Coaching kommt, um an einer ganz bestimmten Sache zu arbeiten. Und dann merkt der Klient im Laufe des Coachings, dass das gar nicht das Hauptproblem war, dass er bei einem ganz anderen, tiefer liegenden Problem landet, an das er zu Beginn gar nicht gedacht hatte. Und er merkt, dass es sinnlos ist, das ursprüngliche Problem lösen zu wollen, ohne das tieferliegende zu bearbeiten. Und das nennt dann jemand „Nebenwirkung beim Coaching“, so als sei Coaching ein Medikament mit Wirkungen und Nebenwirkungen.
Im Unterschied zu einem Medikament passiert beim Coaching weit mehr als nur ein Kurieren der Symptome: der Klient wird sich seiner Probleme oft erst beim Coaching richtig bewusst. Das ist so, als würde ein Medikament die Symptome offenlegen und eine Diagnose erst ermöglichen. Wenn bei der Einnahme eines Medikaments heraus käme, dass die Bauchschmerzen, über die der Klient klagt, eigentlich eine gebrochene Rippe sind, würde man das dann als Nebenwirkung des Medikaments bezeichnen? Sicher nicht, man würde sich wundern, wie „schlau“ das Medikament ist.
Beim Coaching betrachtet man das Ganze anders, da sind offen gelegte Ursachen auf einmal „Nebenwirkungen“ und das Coaching insgesamt risikobehaftet. Dazu kommt, was erwünsche Wirkung und was unerwünschte „Nebenwirkung“ eines Coachingprozesses ist, hängt vom Betrachter ab: der Klient, sein Partner, seine Freunde, seine Kollegen, sein Chef, sein Coach, sie alle werden eine unterschiedliche Sicht der Dinge haben. Wenn der Klient aufgrund eines Coachings endlich den Mut findet, die ungeliebten Arbeit zu kündigen, kann für ihn befreiend sein, sein Arbeitgeber wird das vielleicht nicht so positiv sehen.
Wenn man als Klient ein Coaching beauftragt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass es zu unerwarteten Effekten kommen kann und dass es, ähnlich wie bei der Homöopathie, im Zuge der Bereinigung komplexer Probleme zu einer Erstverschlimmerung der Symptome kommen kann:
- tiefer gehende Probleme werden offengelegt
- das ursprüngliche Ziel des Klienten wandelt sich
- Beziehungen zu Partnern und anderen Menschen ändern sich
- die Lebenszufriedenheit kann kurzfristig abnehmen, denn der Klient wird sich seiner Probleme bewusst
- der Klient entwickelt eine Abhängigkeit vom Coach
Wenn der letzte Effekt auftritt, hat der Coach etwas falsch gemacht, denn er darf sich nicht zum Guru machen oder machen lassen. Aber alle anderen Punkte sind Wirkungen und nicht Nebenwirkungen des Coachingprozesses.