Männer – emotionale Analphabeten?
Männern sagt man nach, dass sie Probleme mit ihren eigenen Gefühlen habe. Sie deshalb „Gefühlstrottel“ zu nennen, bringt nichts, oder hat man schon einmal gehört, dass jemand das 1×1 besser gelernt hätte, nur weil man ihn „Mathe-Trottel“ genannt hat? So einfach ist es also nicht.
Nehmen wir mal das Beispiel eines Schülers, der schlecht in Mathematik ist und der sich nicht anstrengt, besser zu werden. Was sind die Gründe? Vielleicht weiß er gar nicht, dass er Lücken hat. Entsprechende Noten oder besser ein Gespräch mit jemandem, den er als Autorität betrachtet, weisen ihn darauf hin. Vielleicht ist er aber zufrieden mit seiner schlechten Leistung, Mathe ist ihm nicht wichtig, anderes ist ihm wichtiger. Oder er ist das Schlusslicht der Klasse und hat jede Hoffnung aufgegeben, die Leistung der anderen je zu erreichen. Oder er weiß gar nicht wofür Mathe gut sein sollte – wofür sich also anstrengen. Oder er empfindet sich als völlig unbegabt. Oder er kennt keine Methoden, um Mathe zu lernen. Es gibt also außer Faulheit eine Menge guter Gründe, sich in Mathe nicht anzustrengen. Zu schimpfen hilft da nichts.
So und jetzt ersetzen Sie mal „Mathe“ durch „Gefühle ausdrücken“. und „Schüler“ durch „Mann“.
Viele Männer empfinden ihre Schwierigkeiten, Gefühle auszudrücken, nicht als Defizit. Sie denken – gerade weil sie in unserer Gesellschaft kein passendes männliches Vorbild gehabt haben – dass Emotionen zu zeigen, weibisch oder schwul sei – außer Zorn natürlich, den zu zeigen, haben nur Frauen Probleme. Er sieht schwache Emotionalität auch nicht als Mangel, denn er kennt keine anderen Männer, die Emotionen deutlich zeigen. Es gibt für ihn keine Autorität, die er anerkennt und die ihm seinen Mangel aufzeigt. Eine Ehefrau – eine Frau allgemein – ist für ihn in Punkto männlicher Emotion keine Autorität, sie verstärkt nur seine Überzeugung, dass Gefühle Weiberkram sind. Er ist ganz zufrieden mit den Emotionen, die er zeigt, schließlich kann er Zorn und Ärger und Aggression prima zeigen, und das reicht ihm.
Und selbst wenn es ihm nicht reicht, er weiß, dass Frauen viel besser mit Emotionen umgehen können als er, und er verhält sich so, wie sich schlechte Schüler verhalten: sie beschäftigen sich möglichst wenig mit dem Stoff, denn jede Beschäftigung damit macht ihnen klar, wie schlecht sie in dem Fach sind. Wer will sein Defizit schon ständig auf die Nase gebunden bekommen? Und dann auch noch vom Klassenprimus! Lieber sagt er: „Ist nicht mein Ding!“ und wendet sich anderen Aufgaben zu.
Wenn er auch diese Hürde überwindet: wer lehrt ihn, wie er sich den Umgang mit Emotionen beibringen kann, wie er übt, ohne sich lächerlich zu machen? Wo kann er dabei Fehler machen, ohne sein Gesicht zu verlieren? Viele Männer – glauben Sie es ruhig, liebe Frauen – haben keinen Kontakt zu ihren Emotionen. Wie sollen sie sie also erforschen, wie sollen sie feststellen, wie sie sich fühlen? Fragen Sie eine Frau, wie sie sich fühlt, sie wird es Ihnen wortreich erklären können. Fragen Sie einen Mann: „Gut!“ Die Antwort ist nicht deshalb so kurz, weil er nichts sagen will, sondern weil er nichts sagen kann. Fragen Sie einen Farbenblinden nach Farben, der hat die gleichen Probleme.Der Unterschied zum Farbenblinden ist aber, dass man – auch Mann – den Umgang mit Emotionen erlernen kann. Es ist Arbeit und tut weh, aber es lohnt sich.
Im nächsten Beitrag schauen wir uns an, warum ein so großer Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht, was die emotionalen Empfindungen betrifft. In 14 Tagen geht es weiter!