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Junge Männer und Gewalt
Wenn einmal wieder ein Mensch von jungen Männern zusammengetreten wurde oder ein Schüler Amok gelaufen ist, ist das Geschrei groß: Die brutalen Video-Spiele sind es schuld, ist ja kein Wunder, die gehören verboten!
Dieses Argument hat ein paar Vorteile: Es scheint wunderbar zu passen, denn natürlich findet man bei den jungen Tätern immer solche Spiele. Es leuchtet jedem ein und es kostet nichts, vor allem keine Mühe.
Ich will diese Spiele nicht in Schutz nehmen, ich weiß sehr wohl, wie man an Gewalt gegen Menschen herangeführt werden kann, so dass die Hemmungen fallen. Trotzdem greift das Argument zu kurz: sehr viele männliche Jugendliche spielen die Ego-Shooter, ohne dass sie gewalttätig werden oder verrohen. Und vielleicht sind intensives Baller-Spielen auch Folge, und nicht Ursache einer Störung, die auch zu Gewalt im täglichen Leben führt.
Es fällt auf, dass z.B. jugendliche Amok-Täter oft vorher beschämt wurden, ohne dass sie gelernt haben, mit dieser Beschämung umzugehen. Beschämung ist ein ganz normaler Vorgang in der Kindheit und Jugend, es führt dazu, dass Kinder sich anstrengen, sauber zu werden, dass sie sich anziehen und das sie Fähigkeiten erlernen, um erwachsener zu werden, denn „klein“ zu sein, beschämt sie. Eine angemessene Beschämung – durch sich selbst – ist also ganz normal und Teil des Lebens.
Etwas anderes ist es, wenn Kinder und Jugendliche durch Elternhaus, Schule oder ihre Peergroup „heruntergemacht“ werden. Die sog. Amok-Täter haben meist jahrelang intensiv ihr Versagen erlebt, sie haben ihre Selbstachtung eingebüßt, somit ist es ihnen auch unmöglich, andere zu achten. In vielen Fällen ist die Gewalttat ein erweitertes Suizid. Bei den Tätern „aus gutem Hause“ oder aus Kulturen, die Söhne weit höher achten als Töchter, fällt auf, dass sie als Prinzen erzogen wurden, sie haben nie Versagen durch eigene Anstrengung überwinden müssen. Somit beschämt sie ein erstes Versagen, sie können nicht damit umgehen.
Oft verlangen sie dann als Kompensation, dass ihre Umwelt ihnen Respekt entgegenbringt. Da ihre Leistungen aber nicht entsprechend sind, wird ihnen dieser Respekt verweigert. Sie versuchen ihn zu erzwingen und verwechseln Angst, die ihnen entgegengebracht wird, mit Respekt.
Diese Angst erzeugen sie mit Gewalt, sie haben diese meist im Elternhaus gelernt. Eltern, die ihre Kinder als Erziehungsmaßnahme schlagen, bringen ihnen bei, dass Gewalt die Lösung von Problemen ist. Darüber hinaus verwechseln diese Kinder die Angst, die sie vor Schlägen haben, mit Respekt vor ihren Eltern. Einen solchen unechten „Respekt“ so zu erzeugen, ist einfach für die Eltern, echten Respekt müssten sie sich verdienen. Allerdings, wenn die Kinder größer werden, wenn sie stärker werden als ihre Eltern, dann haben sie irgendwann keine Angst mehr vor ihnen und verlangen nun ganz selbstverständlich „Respekt“ von den Eltern, denn wenn sie wollten, könnten sie sie schlagen. Der Satz: „Man muss den Kindern Respekt beibringen!“ ist schon richtig, nur geht das ganz anders, als sich das der Stammtisch erträumt.
Und wie erzeugt man Respekt bei Kindern? Nicht durch Härte, sondern durch Achtung und Liebe. Aber die muss gepaart sein mit Konsequenz. Ein „Nein“ muss ein „Nein“ sein, auch wenn das Kind sich noch so peinlich aufführt. In einer solchen Situation helfen keine Schläge, auch wenn das Gebrüll dann aufhört und die Umstehenden Beifall klatschen. „Mir hat eine Tracht Prügel auch nicht geschadet!“ stimmt nicht. Gewalt grenzt die Möglichkeiten eigenen Handelns ein, es hindert das Kind daran, zu lernen, mit Frustrationen und Beschämungen angemessen umzugehen. Es kennt nur ein Verhalten, und das ist destruktiv und führt in keinem Fall zur Selbstachtung.
Sind Sie Betroffene? Dann schauen Sie hier.
PS: Diese sogenannten Amok-Täter haben ihre Taten immer lange vorher sorgfältig geplant, ihr Verhalten ist also wohl überlegt und keine Störungen der Impulskontrolle.
PPS: Ich schreibe hier über Jungs und junge Männer, es gibt aber zunehmend Mädchen und junge Frauen, über die man das gleiche sagen kann.