Mit dem Tod das Leben genießen
Angst vor dem Tod
Das ist wohl ziemlich makaber: man denkt an den Tod und soll so das Leben besser genießen können? Wir wollen doch unbeschwert leben, und dazu gehört, dass wir nicht an den Tod denken, schon gar nicht an den eigenen! Das ist doch schließlich kein aufbauender Gedanke!
Das klappt aber nicht so ganz. Von der Psychologie weiß man, dass sich das, was verdrängt wird, trotzdem nicht verschwindet, sondern sogar im Unterbewussten stärker wird. Das bedeutet, wer nicht an den Tod denkt, hat die meiste Angst vor dem Tod , wer sich mit dem Tod beschäftigt, dem wird er ein guter Bekannter. Denn eines ist klar: Sterben werden wir alle. Und wir wissen alle nicht, ob und wie es dann weiter geht. Das macht Angst!
Wenn wir uns mit den Dingen beschäftigen, die uns ängstigen, haben wir die Chance, mit der Angst klar kommen zu können. Es ist wie bei Phobien: Der Patient wird den Ängsten und angstbesetzten Situationen gezielt und in zunehmender Dosis ausgesetzt und verliert so seine Ängste. So werden bei einer Spinnenphobie dem Patienten zuerst Bilder von Spinnen, dann Filmaufnahmen und dann echte Spinnen gezeigt, bis er es schließlich erträgt, dass eine Tarantel über seine Hand läuft.
Früher wurden die Menschen öfter mit dem Tod konfrontiert. Die Menschen starben zuhause, sie wurden im Haus aufgebahrt und es wurde offen über den Tod gesprochen. Heute wird im Krankenhaus gestorben, und wer steht schon an einem offenen Sarg? Kein Wunder, dass den Menschen heute der Tod fremd ist – und was man nicht kennt, fürchtet man.
In den letzten Jahren wurde das Tabu um den Tod geringer. Das ist vernünftig, denn 95% der Deutschen erleben nicht einen plötzlichen, sondern einen angekündigten Tod. Sie haben also Zeit genug, sich mit den angesammelten emotionalen und bisher nicht erledigten Päckchen noch einmal auseinander zu setzen. Und das behindert einen leichten Tod, einen zufriedenen Abschied.
Vorsorgemaßnahmen gegen die Angst vor dem Tod
Die beste Vorsorgemaßnahme dagegen ist, das Leben vom Tod her zu betrachten, und zwar bevor man an seiner Schwelle steht. So versteht man, was wirklich zählt. Denn über was grämen sich die Leute wirklich auf dem Totenbett? Zu wenig gearbeitet zu haben? Die „Gute Stube“ zu selten geputzt zu haben? Zu wenig Geld verdient zu haben? Zeit verschwendet zu haben, die man besser mit dem Karrieremachen verbracht hätte?
Ganz bestimmt nicht! Sterbende grämen sich eher darüber, zu wenig Zeit mit den Kindern, Enkeln, der Familie verbracht zu haben. Das Leben zu wenig genossen zu haben, gerade die kleinen Dinge: mal einen Spaziergang gemacht zu haben, weil die Sonne gerade so schön schien. Mal – völlig unschuldig – mit einem Mann oder einer Frau geflirtet zu haben. Oder sich seine heimlichen Wünsche nicht erfüllt zu haben: die Wanderung quer durch Deutschland oder die Segeltour, obwohl das Geld dafür da gewesen wäre und man sich die Zeit hätte nehmen können.
Wenn man vom Tod her lebt, überlegt man sich seine Handlungen, man fragt sich, ob sie auch auf dem Totenbett noch richtig und wichtig erscheinen. Und man lebt im Hier und Jetzt, und das lässt einen die Trübsal und depressive Stimmungen vergessen und die glücklichen Momente genießen. Das wird nicht immer klappen, aber mit zunehmender Übung immer öfter.
Betrachten wir also den Tod, wie er im Mittelalter betrachtet wurde: als „Gevatter Tod“, als einen guten Bekannten, nicht als einen Feind. Fragen Sie Menschen, die dem Tod von der Schippe gesprungen sind, beobachten Sie, wie diese sich geändert haben. Denn sie sind ein anderer Mensch geworden, weil sie sich mit dem Tod beschäftigen mussten. Und sie fürchten den Tod nicht mehr. Er ist so oder so ständig neben uns, und wenn es Zeit ist, berührt er uns, und wenn wir dann wissen, dass es gut ist, haben wir ein erfülltes Leben geführt. Und wenn auch vielleicht das Sterben nicht sanft sein wird, weil wir mit einer Krankheit kämpfen – unser Tod wird es sein.