Kinder loben und tadeln
In Führungsseminaren kann man lernen, und es steht sogar in manchen Erziehungsratgebern, dass ein negatives Feedback nach der Sandwich-Methode in zwei positive verpackt werden muss, damit es der Andere leichter schluckt. Das hat in der Form zu passieren:
- Lob für ein bestimmtes Verhalten in letzter Zeit
- Tadel
- Allgemeiner Lob
Aber was passiert tatsächlich? Horchen Sie einmal genau in sich hinein, wenn Sie folgenden Satz hören: „Dein letzter Aufsatz war ja sehr schön. Wenn Du Dir jetzt noch mit der Rechtschreibung ein bisschen Mühe gibst und fleißig übst, wirst Du noch richtig gut in Deutsch. Aber keine Sorge, ich bin sicher, Du schaffst das!“ Möglicherweise hören Sie: „Du bist schlecht in Deutsch! Tu etwas an der Rechtschreibung, die ist unter aller Sau! Du hast noch einen weiten Weg, bist Du gut in Deutsch bist!“
Sind die Kinder an das Sandwich-Verfahren gewöhnt, warten sie auf bei jedem Lob auf den Tadel. Ein Lob wird also gar nicht gehört, weil sich das Kind schon krampfhaft überlegt, was er denn falsch gemacht haben könnte und sich schon einmal nach einer Verteidigungsstrategie sucht. Also, das „Sandwich“ ist vergiftet. Und schlimmer noch, es vergiftet jedes positive Feedback, selbst wenn kein Tadel folgt.
Das Verfahren taugt weder im Berufsleben noch in der Kindererziehung. Denn Kinder sind nicht dumm und beobachten uns Eltern genau, sie sind schließlich auf unser Wohlwollen angewiesen. Sie kommen also genau so schnell hinter das Schema wie Mitarbeiter.
Wie geht es besser?
Was hätten Sie als Kind gerne gehört, wenn Ihre Eltern nicht mit Ihrem Verhalten einverstanden gewesen waren? Eins ist klar: man kann einen Dolch noch so dick in Watte packen, er verletzt trotzdem. Und selbst Kinder sind nun einmal darauf getrimmt, das Negative sofort herauszuhören, denn das Negative ist gefährlich, es kann Konsequenzen nach sich ziehen. Positives dagegen hat meist weniger Auswirkungen, und so wird es meist überhört.
Wollen Sie also, dass Ihr positives Feedback von Ihren Kindern gehört und verstanden wird – und natürlich wollen Sie das, denn sonst hätten Sie ja geschwiegen – dann vermischen Sie es nicht mit negativem. Loben Sie, ohne Ihr Lob abzuschwächen. Die Sandwich-Methode ist kontraproduktiv!
Was geht gar nicht?
Versuchen Sie niemals, Menschen, die älter sind als ca. drei Jahre zu ändern – Sie haben keine Chance. Also loben und tadeln Sie auch nicht Ihr Kind, sondern sein Verhalten. Sagen Sie also: „Ich sehe, dass Du Dein Zimmer nicht aufgeräumt hast.“ Sagen Sie nicht: „Du bist unordentlich!“, oder gar: „Du bist ein Schlamper!“ Denn Ihnen mag noch so klar sein, wie Ihr Kind weniger schlampig sein könnte, dem Kind fehlen die klaren Anweisungen. Es versteht nicht, was es besser machen kann – und das übrigens nicht nur, wenn es klein ist, sondern auch, wenn es in der Pubertät ist.
Stauchen Sie Ihre Kinder auch nicht zusammen. Wer seine Kinder klein macht, bekommt kleine, unselbstständige Kinder. Er selbst wird davon auch nicht größer. Wenn Sie Ihre Kinder anschreien, zeigen Sie nur, wie hilflos Sie sind. Und Sie machen sie damit „hartmäulig“ – wie ein Pferd, das nicht mehr auf Zügelzug reagiert, weil zu oft und zu heftig an seinen Zügeln gerissen wurde.
Und bitte, Feedback geben und vor allem nehmen ist eine intime Sache, das geht nur im 4–Augen–Gespräch. Sie wollen Ihr Kind schließlich nicht beschämen, sondern sein Verhalten ändern. Es schämt sich schon genug, dass es etwas falsch gemacht hat. Manche Kinder verstecken das nur hinter Bockigkeit.
Bringen Sie Ihr Kind auch nicht dazu, sich zu rechtfertigen, weil es Strafe fürchtet. Sie wollen eine Lösung für eine unerfreuliche Situation erreichen, sie wollen, dass das Fehlverhalten in Zukunft nicht mehr vorkommt. Wenn Sie nicht beide, Eltern wie Kind, nach einer Lösung suchen, sondern das Kind nur nach Rechtfertigungen sucht, erreichen Sie keine von beiden akzeptierte Lösung. Eine Lösung, die ein Kind nicht akzeptiert, wird es auf Dauer nicht anwenden.
Aber auch Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Als Eltern haben Sie das Recht und die Pflicht, sowohl positives als auch negatives Feedback zu geben. Vielleicht müssen Sie Ihrem Kind beibringen, wie Feedback zu nehmen ist, denn die meisten haben das nie gelernt – in der Schule nicht und im Elternhaus meist auch nicht.
Handeln Sie nicht mit dem Kind! Sagen Sie also nicht: „Wenn Du Dein Zimmer aufräumst, darfst Du länger aufbleiben!“, oder: „Wenn Du Dein Zimmer aufräumst, bekommst Du einen Euro!“ Ich verspreche Ihnen, diese Preise steigern sich stetig, und das Kind wird nichts mehr zu den Haushaltspflichten beitragen, wenn es nicht bezahlt wird. Sie selbst erfüllen Ihre Pflichten schließlich auch ohne Bezahlung. Es gehört zu den selbstverständlichen Pflichten jeden Familienmitglieds, mit der Erfüllung angemessener Aufgaben zum Familienleben beizutragen.
Und wie geht negatives Feedback?
Mit negativem Feedback soll erreicht werden, dass das Kind sein Verhalten ändert. Wenn es also ein negatives Feedback von den Eltern hört, hat das zumindest etwas Gutes: die Eltern interessieren sich für das Kind und sein Tun.
Aber damit das Kind das negative Feedback überhaupt versteht, und nicht nach den ersten Worten innerlich nur noch damit beschäftigt ist, Begründungen für sein Verhalten zu formulieren, muss Feedback richtig formuliert und in richtiger Form vorgebracht werden.
- Sorgen Sie für ein ungestörtes Umfeld. Kein Feedback zwischen Tür und Angel. Und niemand schaut dabei auf sein Smartphone!
- Kritisieren Sie nicht das Kind, sondern sein Verhalten.
- Schildern Sie Ihre Beobachtung, möglichst objektiv und ganz konkret.
- Schildern Sie, welche Folgen des Verhaltens Sie befürchten.
- Hören Sie sich die Begründung des Kindes für sein Verhalten an. Vielleicht gab es gute Gründe dafür, möglicherweise haben seine Freunde etwas damit zu tun. Eine unreflektierte Kritik hätte dann nur Porzellan zerschlagen. Lassen Sie aber keine Ausreden zu – wer die Schuld anderen zuschiebt, erkennt sein falsches Verhalten nicht an, sondern will sich aus der Verantwortung stehlen.
- Äußern Sie Ihren Wunsch. Schildern Sie, wie Sie einen ähnlichen Vorfall in Zukunft gehandhabt sehen möchten. Allerdings: das Kind darf diesem Wunsch widersprechen. Wenn Sie bei Widerspruch Ärger empfinden, war es kein Wunsch, sondern eine Forderung.
- Fragen Sie Ihr Kind, wie es das als negativ erkannte Verhalten in Zukunft vermeiden möchte und was ihm dabei helfen könnte. Das muss eine echte Frage sein, keine rhetorische. Sie sollten diesen Punkt auslassen, wenn das Fehlverhalten und dessen Vermeidung für beide klar auf der Hand liegt.
- Einigen Sie sich mit dem Kind auf ein zukünftiges Vorgehen, nicht per Anweisung, sondern treffen Sie eine Absprache.
- Und jetzt, aber erst jetzt, darf so etwas wie ein Lob von Ihnen kommen: Dass das Kind einsichtig war und dass Sie froh sind, dass das Missverständnis ausgeräumt wurde.
Natürlich müssen Sie Ihr Verhalten dem Alter des Kindes entsprechend anpassen. Lange Diskussionen sind nicht angebracht, wenn Gefahr in Verzug ist. Dann gelten klare Anweisungen, die rasch zu befolgen sind. Das erreichen Sie, indem Sie klar ansprechen, was zu tun ist. Sie müssen mit Ihrem Kind üben, wann es einen Wunsch diskutieren darf, und wann einer Anweisung widerspruchslos und sofort zu folgen ist. Erst wenn die Gefahr vorbei ist, darf über die Situation geredet werden. Darüberhinaus gibt es bestimmte Regeln, über die nicht diskutiert wird. Zum Beispiel ist das Verhalten eines Kindes, das nach den Eltern tritt, nicht akzeptabel. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Der Grund für Gewaltausbrüche kann auch die reine Verzweiflung des Kindes sein, es ist manchmal notwendig, es vor sich selbst zu schützen.
Fazit
Wenn Sie Feedback geben, zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie sich für es interessieren. Ein Kind, dessen Leistungen und Fehlleistungen nie bewertet werden, wird mit der Zeit zu der Auffassung kommen, dass es seinen Eltern egal ist. Es wird sich zurückziehen, sein Verhalten wird inakzeptabel werden, einfach um die Aufmerksamkeit der Eltern zu provozieren. Also trauen Sie sich, trainieren Sie, oft und gerne Feedback zu geben, vor allem positives. Aber loben Sie nichts, was selbstverständlich ist.
Lernen Sie auch, selbst Feedback zu nehmen, denn Sie sollten sich das Feedback Ihrer Kinder genau anhören. Sie können dabei viel über sich lernen und ganz nebenbei das eine oder andere Missverständnis frühzeitig aus der Welt schaffen. Alle Eltern machen Fehler in der Erziehung, aber Kinder erkennen sehr gut, ob das Verhalten der Eltern ein Fehler oder Absicht war. Wenn Sie Ihre Kinder lieben, nicht wegen Ihrer guten Leistungen oder ihres braven Verhaltens, sondern einfach wegen ihrer Person, und das auch zeigen, machen Sie Ihren Kindern ein wichtiges Geschenk: Eine schöne Kindheit.