Männer – emotional emanzipiert?
Im zweiten Teil der Reihe haben wir uns mit der Sozialisation der Männer und ihrer daraus resultierenden Emotionalität beschäftigt. Im dritten Teil möchte ich etwas zu der Emanzipation der Männer von ihrer – wie wir jetzt wissen – nicht willentlich herbeigeführten emotionalen Einschränkung sagen. Auch Emanzipation ist nämlich kein Weiberkram, die Emanzipation der Männer tut not.
Frauen sollten Männer allerdings bei dieser Arbeit nicht im Wege stehen. Liebe Frauen, wenn Ihr nicht wollt, dass Euer Mann sich weiterhin verschließen, dann tischt ihm auf keinen Fall beim nächsten Ehekrach auf, was er Euch in einer „schwachen Stunde“ eröffnet hat! Ich weiß, es ist verführerisch, denn es erzeugt genaue und schmerzende Treffer, beißt Euch auf die Zunge. Und zeigt ihm auch nicht, wie viel erfahrener Ihr seid, wenn es um den Umgang mit Emotionen geht, einem Schüler der ersten Klasse bringt man ja auch nicht die Differentialrechnung bei, sondern das kleine 1×1!
Und Ihr, liebe Geschlechtsgenossen, lernt Eure Gefühle auszudrücken! Horcht in Euch, dann ist es nicht schwer, Ihr könnt schließlich stundenlang über Fußball oder Autos oder was Euch sonst noch interessiert, reden. Es lohnt sich, sich auch für die eigenen Gefühle zu interessieren. Und wer sich nicht mit den eigenen Gefühlen auskennt, kann auch die der anderen nicht begreifen. Und das ist schade, denn weil wir unsere Frauen lieben,wollen wir sie auch verstehen, und das geht nicht, wenn wir ihre Gefühle nicht nachvollziehen können.
Und wie lernt man seine Gefühle kennen?
Das erste und wichtigste ist, sich frei zu machen von der Diktatur der Konvention, sich zu emanzipieren von den Sätzen wie: „Ein Indianer weint nicht!“, „Was uns nicht umbringt, macht uns härter!“, und die vielen anderen, die wir alle kennen. Wir müssen außerdem erkennen, dass uns in unserer Kindheit ein Satz eingeschärft wurde, ohne dass er je ausdrücklich gesagt wurde, allein durch Vorbilder: „Fühle nicht!“
Und wir müssen uns lösen von der Vorstellung, dass wir emotional das Gegenteil von Frauen sein müssen, um ein Mann zu sein. Tapfere Männer haben Gefühle und sie schämen sich ihrer nicht. Gefühle zu zeigen, nachdem man sie lange Zeit verleugnet hat, braucht Mut. Um diesen Mut aufzubringen, brauchen wir unsere gesamte männliche Kraft, den Krieger in uns, der uns ermöglicht, wir selbst zu sein und uns nicht nach der Meinung anderer zu richten. Die männliche Emanzipation ist die Emanzipation von alten, überkommenen und falschen Überzeugungen. Vielen dieser Überzeugungen folgen wir unbewusst, sie sind dadurch allerdings nicht weniger wirksam. Im Gegenteil, sie kleben an uns wie Pech. Es ist Arbeit, sie zu erkennen, wir müssen uns bei jeder Handlung fragen: „Warum tue ich das jetzt? Wer schreibt mir vor, so zu handeln? Hat der, der mir mein Handeln vorschreibt, überhaupt die Kompetenz dazu? Ist heute nicht eine völlig andere Situation als damals, als mir dieser Satz eingeschärft wurde?“
Wir dürfen nicht den Fehler machen, einfach das Gegenteil von dem zu tun, was wir bisher getan haben. Damit bleiben die alten Überzeugungen weiterhin an der Macht, wir sind nicht frei von ihnen sondern wir wehren uns nur gegen sie wie ein Pubertierender. Aber wir haben sehr viel mehr Lebenserfahrung als ein 14-jähriger und können es anders machen. Der Trick ist, sich über sein Handeln und Denken bewusst zu werden, auch bei scheinbar kleinen Anlässen. Denn selbst, wenn wir weiterhin so handeln wie bisher, hat sich doch alles geändert: wir haben über die Gründe unseres Handeln nachgedacht und handeln nun bewusst. Das ist der Unterschied zwischen traditionell und reaktionär: hat man eine traditionelle Überzeugung, hat man sich die Traditionen angeschaut und sie gut geheißen und übernommen, ein Reaktionär handelt „weil das, was für meinen Großvater gut war, für mich nicht schlecht sein kann.“, er denkt nicht nach, er übernimmt blind.
Nachdem wir über unser Denken und Handeln nachgedacht haben, ist es auch nicht mehr schwierig, zu erkennen, wie wir uns dabei fühlen. Und so bauen wir langsam ein Verständnis für unsere Emotionen auf und können dann auch über sie sprechen. Man könnte neidisch werden: Frauen haben diese Fähigkeit sozusagen mit der Muttermilch eingesogen, wir müssen sie sie uns mühsam erarbeiten. Es dauert lange, aber es lohnt sich: danach ist mann seiner selbst bewusst, mann ist sich seines Handeln sicher. Und wenn wir so weit sind, dürfen wir unsere Erkenntnisse an Jungen und junge Männer weiter geben. Mach Dir die Mühe, Mentor eines jungen Mannes zu werden, es gibt nur wenige Dinge, die befriedigender sind.
Es ist noch vieles zu sagen, es sind viele Bücher über das Thema geschrieben worden (allerdings nicht so viele wie über die Emanzipation der Frauen), ich konnte Euch hier nur einen kurzen Abriss geben.
Hast Du Fragen? Brauchst Du Anregungen? Dann darfst Du mich gerne kontaktieren.
Literatur:
Steve Biddulph: „Männer auf der Suche“
Robert Bly: „Eisenhans“