Mit „Eisenhans“ Männer verstehen lernen
Männer verstehen lernen mit einem Märchen?
Der „Eisenhans“ ist ein Märchen, das nicht sonderlich bekannt oder beliebt ist, anders als „Schneewittchen“ oder „Aschenputtel“. Es ist schwerer verständlich und aus der Mode gekommen, weil Märchen nur noch Kindern erzählt werden. Bei ihm wird klar, dass tradierte Märchen – anders als erfundene Märchen, wie z.B. die von Hans Christian Andersen – ursprünglich nicht für Kinder gedacht waren, sondern für Heranwachsende und Erwachsene. Es ging bei Märchen immer darum, Weisheiten in eine Geschichte einzubetten und sie so an die nächste Generation so zu tradieren, dass diese sie im Gedächtnis behielten.
Eisenhans ist primär ein Märchen für die männliche Bevölkerung, es zeigt auf, wie ein Junge zum Mann wird. Aber es schadet sicher nicht, ja es war sogar beabsichtigt, wenn auch Mädchen und Frauen dieses Märchen kennen, denn so lernen sie die spezifischen Probleme des Mannwerdens kennen, genauso, wie Jungen und Männer das Frauwerden z.B. mit dem Märchen „Allerleirauh“ kennenlernen können.
Von Märchen, die archetypisch bestimmte Themenkreise behandeln, können wir auch heute noch lernen, denn so sehr unterscheiden wir uns nicht von unseren Vorfahren. Auch wenn sich heute die Wege und die Art und Weise der Kommunikation geändert hat, die Inhalte sind gleich geblieben. Und auch die Wege zum Mann- oder Frauwerden haben sich nicht wesentlich geändert. Märchen wurden über viele Generationen tradiert, die indigene Bevölkerung Nordamerikas kennt sogar Überlieferungen, die nachweislich älter sind als 10.000 Jahre. Und Märchen wurden entwickelt und weiterentwickelt, bis sie das, worauf es ankam, also die richtigen Inhalte in der richtigen Form, in spannende und somit leicht zu merkende Geschichten betteten. Sie bringen, richtig erzählt und gehört, noch heute Saiten in uns zum Klingen, deren Existenz wir vergessen haben. Sie sind im besonderen Maße „Altes Wissen“.
Ich habe immer und immer wieder von Frauen gehört, dass sie das Verhalten von Männern nicht verstehen. Nachdem mir klar wurde, warum das so ist – welche Frau hat in ihrer Kindheit einen wahren Mann wirklich kennen gelernt – habe ich mir überlegt, wie dieses Defizit behoben werden könnte. Und so bin ich auf das Buch „Eisenhans“ von Robert Bly gestoßen, eines der grundlegenden Werke der Männerbewegung. Daran angelehnt habe ich ein Seminar speziell für Frauen entwickelt. Es basiert wie das Buch auf dem Märchen, aber das einfach nur zu erzählen, würde nicht helfen, denn sein Kern ist heute ohne Erläuterungen nicht mehr zu verstehen. Männer und auch Frauen haben das Verständnis archetypischer Männlichkeit verloren, die muss den Zuhörern zuerst nahe gebracht werden.
Ich weiß natürlich, dass allein mit einem Seminar die Probleme, die Frauen mit Männern haben, nicht zu beheben sind. Dennoch möchte ich damit anfangen, Verständnis aufzubauen, wohl wissend, dass Männer vielleicht einen noch weiteren Weg zurückzulegen haben. Aber irgendwo muss man ja anfangen, und Frauen sind zugänglicher als Männer. Warum das so ist, auch darüber werden wir sprechen, denn ein- oder beidseitige Schuldzuweisung hilft nicht weiter.