Muss sich ein Coach in seine Klienten verlieben?
Man könnte es fast meinen! Eine wesentliche Voraussetzung für ein gutes, systemisches Coaching ist, dass der Coach seinen Klienten mit allen seinen Macken und mit seinem Verhalten bedingungslos annimmt. Er begegnet ihm auf Augenhöhe und bringt ihm Wertschätzung entgegen. Er behandelt ihn achtsam. Er ist davon überzeugt, dass der Klient die Lösung für sein Problem in sich trägt und unterstützt ihn entsprechend. Er erkennt seine Fähigkeiten an und bewundert ihn dafür, dass er sein Leben allen Widrigkeiten zum Trotz bisher gemeistert hat. Er lässt ihm die Freiheit, seine Lösungen selbstständig zu finden, unterstützt ihn bei diesem Vorhaben, ohne ihn mit Ratschlägen einzuengen.
All das sind auch die Kennzeichen einer echten Liebe. Auch sie erkennt den Partner bedingungslos und unabhängig von seinem Verhalten an. Ist also das Verhältnis zwischen Klient und Coach ein Liebesverhältnis?
Dagegen spricht, dass dieses Verhältnis asymmetrisch ist. Während der Coach den Klient wie oben beschrieben betrachtet, betrachtet der Klient den Coach ganz anders. Zwar ist auch Asymmetrie für sich alleine kein Grund, nicht von einer Liebe zu sprechen, denn auch die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind ist asymmetrisch. Aber Liebende sind voneinander abhängig und wollen das auch sein, die Liebe lebt von gegenseitiger Hingabe. Coaching hingegen ist eine Dienstleistung, dessen muss man sich stets bewusst sein. Am Ende einer Sitzung verlangt der Coach eine Gegenleistung, einen Geldbetrag. Und dann ist das Dienstleistungsverhältnis, mag es noch so sehr einem Liebesverhältnis ähneln, erst einmal beendet. Der Coach wendet sich dem nächsten Klienten mit der gleichen Aufmerksamkeit zu. Man kann also bei ihm nicht von Hingabe an einen Klienten sprechen, nur an die Hingabe an seine Aufgabe.
Es gibt noch einen wesentlichen Unterschied: ein Liebender will mit seinem Partner verschmelzen, er will sich nie mehr von ihm trennen. Genau das aber darf bei einem Coaching-Verhältnis nicht geschehen. Es ist zeitlich befristet angelegt, der Coach muss danach streben, sich von dem Klienten so bald wie möglich zu trennen. Er muss alles tun, damit dieser möglichst schnell eine Lösung für sein Anliegen findet, und so das Coaching-Verhältnis beenden.
Und noch etwas würde ein Liebender nie tun, was aber typisch für ein Coaching ist: der Coach konfrontiert seinen Klienten mit der Konsequenz seines Handelns, er zeigt ihm schonungslos auf, welche Folgen sein Handeln hat. Der Liebende dagegen versucht, alle Widrigkeiten von seinem Partner fern zu halten und ihn sozusagen in Watte zu packen. In vielen Fällen ist der Liebende auch blind für Fehlverhalten des Partners, während der Coach – idealerweise – diese glasklar erkennt. Auch versucht der Liebende seinem Partner alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, der Coach hingegen weiß, dass der Klient die Hindernisse selbst überwinden muss, um so dessen eigene Kompetenz zu stärken. So hilft er diesem, an den Widerständen zu wachsen.
Das heißt nun nicht, dass der Coach den Klienten nicht unterstützt, aber er tut dies nicht operativ, sondern prozessual. Er räumt ihm also die Hindernisse nicht aus dem Weg, sondern hilft ihm Möglichkeiten zu finden, dies selbst zu tun. Die so erreichte Steigerung der Kompetenzen ist eine größere Unterstützung als eine konkrete Hilfestellung. Mit Liebe hat das alles also nichts zu tun, wohl aber mit Wertschätzung und Achtsamkeit.
Möchten auch Sie sich so unterstützen lassen? Dann kontaktieren Sie mich und besprechen Sie mit mir die Möglichkeiten, Sie durch ein Coaching zu begleiten.