Selbstbeobachtung im Coaching
Zwischen den Coachingterminen bekommen Sie meist etwas zu tun – eine kleine Selbstbeoachtung im Coaching oder eine Transferaufgabe. Ich als Coach werde Sie oft darum bitten, Ihr Verhalten in bestimmten Situationen zu beobachten und mir Ihre Beobachtung beim nächsten Termin zu schildern. Warum mache ich das?
Als Ihr Coach bin ich natürlich an Ihnen interessiert, ich bin vielleicht sogar ein bisschen neugierig und frage nach Ihren Beobachtungen. Aber wenn Sie aus welchen Gründen auch immer nicht bereit waren, sich selbst zu beobachten oder nicht bereit sind, mir diese Beobachtungen zu schildern, ist das ok. Denn Sie bestimmen Tempo und Inhalt des Coachings. Wichtig für den Fortgang des Coachings ist nicht, dass ich Ihr Verhalten kenne. Wichtig ist, was Sie selbst bereit waren zu beobachten und anzuschauen.
Selbstbeobachtung im Coaching ist hilfreich
Warum lege ich, wie die meisten Coachs, so viel Wert auf die Selbstbeobachtung im Coaching? Nun, jeder von uns hat seine „Blinden Flecken“. Verhaltensmuster, die andere zwar oft gut kennen, die wir selbst aber noch nie bemerkt haben. Außerdem gibt es noch das Unbewusste, nach dem wir uns richten, das aber weder uns noch den anderen gesehen wird. Wir ahnen, dass es diese Bereiche gibt, um sie zu erhellen, möchten wir die uns unbekannten Seiten kennenzulernen. Deshalb sind fast alle Menschen geradezu süchtig nach Feedback, was die Psycho-Tests in Zeitschriften so beliebt macht.
Wir alle reagieren vor allem unter Stress auf bestimmte Außenreize, auf bestimmte Situationen auf immer die gleiche uns oft nicht bewusste Art und Weise. Wir sind uns dieser Reaktionsmuster nicht bewusst, weil wir sie als Kind gelernt, sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen und seither nicht verändert haben. Denn wenn wir gestresst sind, brauchen wir Reaktionsmuster, die automatisiert ablaufen, weil wir sie verinnerlicht haben. Unter Stress nehmen wir uns nicht die Zeit, lange zu überlegen, und überlassen unserem Autopiloten die Kontrolle. Der Autopilot wurde in unserer Kindheit programmiert, mit Glaubenssätzen und Skripten, die wir nie überprüft haben. In wirklichen Krisensituationen, auf die schnell reagiert werden muss, ist eine solche Automatisierung auch vernünftig. Denn dieses Verhalten erspart uns viel Energie und bewahrt uns in Notsituationen vor Schaden. Wenn ich mit der Hand an die heiße Herdplatte komme, ziehe ich sie schnell zurück und überlege nicht lange, ob ich dabei vielleicht einen Teller zerbreche. Da ist mir meine Haut wichtiger. Und wenn ich ins Wasser falle, fange ich automatisch an zu schwimmen.
Dennoch gibt es andere Situationen, in denen eine automatisierte Reaktion nicht hilfreich ist. Ein Streit zum Beispiel ist durchaus stressig, aber wenn wir dann auch automatisiert reagieren, mit Verhaltensmustern, die vielleicht sogar aus vorverbaler Zeit (also bevor wir sprechen gelernt haben) stammen, ist niemandem geholfen. Als Kind haben wir vielleicht gelernt, sofort zu kuschen, wenn uns der Vater mit lauter, tiefer Stimme ermahnt hat. Und unser Unterbewusstsein weicht dann auch heute noch dann noch vor einem Mann, zum Beispiel einem Kollegen zurück, nur weil er groß ist und mit lauter, tiefer Stimme spricht. Wir verwechseln ihn automatisch mit dem damals allmächtigen Vater und wagen keinen Widerspruch. Hinterher ärgern wir uns, dass wir dem unverschämten Kollegen nicht bestimmt entgegengetreten sind; so hat er sich einmal mehr durchgesetzt. Wir wissen allerdings nicht wirklich, was passiert ist, die Übertragung des Vaterbildes auf den Kollegen haben wir nicht erkannt, unser in dieser Situation kindliches Ich ist damit überfordert.
Was nehmen wir wahr?
Wir nehmen nur das wahr, was uns positiv oder negativ stark berührt, wobei vor allem Traumata verinnerlicht werden. auch das, was nicht in unser Weltbild passt, wird unbewusst ausgefiltert. Schon auf bewusster Ebene machen wir das – indem wir z.B. die Zeitung lesen, die unserer weltanschaulichen Grundeinstellung am ehesten entspricht. Auf unbewusster Ebene ist die Wirkung noch viel stärker. Dieses Phänomen macht uns z. B. zu schlechten Unfallzeugen. Wenn es knallt, schauen wir meist erst dann hin, unser Gehirn ergänzt aber Dinge, die wir gar nicht gesehen haben. Wir sind deshalb der Überzeugung, den Unfall von Anfang an beobachtet zu haben und betrachten die Einfügungen unseres Unterbewusstseins als beobachtete Wahrheit.
Damit wir das objektiv Wahre wahrnehmen, mitsamt dem, was normalerweise an den Filtern hängenbleibt oder von unserem Unterbewussten ergänzt wird, um dem Erlebten einen Sinn zu geben, müssen wir uns ganz bewusst auf unsere Wahrnehmung konzentrieren und das Wahrgenommene sofort in unserer Erinnerung fixieren. Denn Wahrgenommenes wird schnell wieder vergessen, wenn es nicht in unser Raster passt.
Wie kommen wir aus den Mustern heraus?
Wenn wir das Wahrgenommene mit dem Wahren abgleichen, wird sich unser Wahrnehmungsraster mit der Zeit ändern. Wir legen unsere Scheuklappen ab. Dazu ist Selbstbeobachtung im Coaching und Achtsamkeit notwendig, manchmal auch, ein Wahrnehmungs-Tagebuch zu führen.
Als Coach sehe ich es als eine meiner Aufgaben an, Sie als Klient durch Fragen dabei zu begleiten, alte Denkmuster aufzudecken. Wenn Sie diese erkannt haben, ist es auch möglich, die Aufgabe, die diese Muster haben oder hatten zu würdigen und sie zu verabschieden, wenn sie nicht mehr hilfreich sind. Sind sie weiterhin nützlich, können Sie sie dankbar und bewusst annehmen. Als Augenöffner sind die oben erwähnten Selbstbeobachtungsaufgaben zwischen den Coachingterminen wichtig. Später wird Ihnen die Selbstbeobachtung leichter fallen und wird Ihnen helfen, Wahrgenommenes aufmerksam zu bewerten und stimmig zu interpretieren, weil Sie sich der „Brille“, die Sie tragen, bewusst sind. Denn wir alle tragen eine solche Brille, oft ist sie auch hilfreich, um unser Gehirn nicht mit Unwichtigem zu überfluten. Aber es ist immer gut, sich ihrer bewusst zu sein.