Streit in der Partnerschaft
Ein Paar, das sich liebt, streitet nicht, oder?
Das ist Quatsch, auch Liebende sind Menschen, und Menschen streiten. Im Gegenteil, ohne Streit erkaltet die Liebe. Wenn der Partner und seine Meinung mich so wenig interessieren, dass ich noch nicht einmal mit ihm streite, läuft etwas falsch. Streit hält die Beziehung am Leben.
Etwas ganz anderes ist Krieg. Während Streit fair geführt wird, erlauben sich Kombattanten im Krieg alle Mittel einzusetzen, auch unfaire. Ein Rosenkrieg ist deshalb so schlimm, weil jeder den Partner so gut kennt, auch in Situationen, in denen er verletzlich ist. Und dann schlagen die Kämpfenden gerade an diesen Stellen zu – erbarmungslos. Bei einem Streit dagegen wird um die Sache gefochten, es geht nicht gegen die andere Person.
Eine wesentliche Voraussetzung, einen Streit zu führen, ist, dass man sich der eingesetzten Waffen bewusst ist und diese auch beherrscht. Es ist wie bei Karate-Kämpfern: zwei Könner kämpfen gegeneinander, ohne sich zu verletzen, hinterher ist trotzdem klar, wer den Kampf beherrscht hat. Zwei Anfänger hingegen sind sich ihrer Kraft nicht bewusst, sie können die Schläge nicht rechtzeitig stoppen und verletzen den Gegner schwer.
Es gibt einige Voraussetzungen, einen fairen und konstruktiven Streit zu führen:
- selbst im hitzigsten Streit muss jedem Partnern bewusst sein, dass er den anderen wertschätzt
- keiner von beiden Partnern darf den anderen ernsthaft verletzen wollen, denn es geht um die Sache, nicht gegen die Person
- beide Partner haben das Streiten geübt
- beide Partner haben den Mut zum Streiten
Es gibt eine Form des Streits, die fast so schlimm ist wie Krieg: das Schweigen. Wenn einer der Partner nicht bereit ist, zu streiten, obwohl der andere einen Streit für notwendig hält, wenn er sich also verweigert, signalisiert er damit, dass er den anderen nicht für voll nimmt. Das ist eine Missachtung des Partners und eine schlimme und unerlaubte Waffe. Man kann sich durchaus darauf einigen, den Streit aufzuschieben, aber ihn nicht zu führen ist unfair. Und auch das Schweigen nach einem Streit zeigt, dass der Streit verletzend geführt wurde. Ein Streit soll wie ein reinigendes Gewitter sein, nicht wie ein Feuersturm, der nur verbrannte Erde zurücklässt.
Leider gibt es gerade auf Seiten der Männer noch einen anderen Grund, einen Streit nicht zu führen: Angst. Viele Männer wissen, dass sie ihren Frauen verbal unterlegen sind und fürchten sich vor den spitzen Bemerkungen ihrer Frauen, die sie hilflos machen. Da gibt es nur eine Möglichkeit, liebe Geschlechtsgenossen: lernt zu streiten, lernt, Worte wie ein Florett einzusetzen, nicht wie einen schweren Säbel, und lernt, nicht zuzustechen. Und bitte, liebe Frauen, helft den Männern: lasst sie zu Wort kommen, auch im Streit, und wenn es auch noch so verführerisch ist: stecht nicht zu, deutet den Coup nur an. Keinem ist geholfen, wenn Euer Sohn, wenn er erwachsen ist, sagt: „Mein Vater hat sich nie gegen meine Mutter gewehrt, und deshalb bin ich ihm heute noch böse!“ Denn er hat Recht, Euch böse zu sein, denn er konnte von Euch das Streiten nicht lernen.
Ich kann jedem Paar nur raten, gerade in den Zeiten, in denen es sich besonders liebt, sich über das Streiten zu einigen, über die Waffen, die es nicht einsetzen will, über die Form, in der es streiten möchte. Und gerade an unwichtigen Themen das Streiten zu üben, vielleicht auch mit einem Moderator. Meine Frau und ich haben das gemacht, es hat geklappt, wir streiten häufig und gern – seit 30 Jahren.
Lieber Roland,
das kann ich nur bestätigen. An unserem ersten Abend haben wir uns entschieden, bei Konflikten so und so zu handeln. Hat über die vielen Jahre zu 98 % gut funktioniert.
Und ja: Ich streite sehr gern mit Dir. Wir und unsere Beziehung wird jedes Mal gefestigt. Auch wenn es im ersten Moment nicht so aussieht.
Sei umarmt
Karin
Liebe Karin,
ich liebe Dich auch – mitsamt der Streitpunkte. Ohne Dich und die Jahre mit Dir hätte ich den Blogbeitrag nicht schreiben können.
Ich danke Dir
Roland